Finanz und Wirtschaft
01.12.2021

Kein Ausweg aus der Inflationsfalle?

Jeder durch Kreditausweitung erzeugte Boom mündet in eine Korrektur. Statt diese Kur hinauszuzögern, wäre es ratsamer, kontrolliert im staatlichen und im supranationalen Bereich die Ausgaben zu kürzen. In seinem in der Schweizer Wirtschaftszeitung Finanz und Wirtschaft (www.fuw.ch) erschienen Kommentar zeigt S.D. Prinz Michael von und zu Liechtenstein die Gründe auf.

Die Inflation kommt nicht über uns als ein Fluch oder ein tragisches Geschick. Sie wird immer durch eine leichtfertige oder sogar verbrecherische Politik hervorgerufen» – so bezeichnete Ludwig Erhard einst das kontraproduktive Wirken einer selbstbezogenen, marktfernen Politik. Eine präzise Feststellung, die der deutsche Nachkriegs-Wirtschaftsminister da unbeabsichtigt für unsere aktuelle Situation lieferte.

Die westlichen Zentralbanken sind längst nicht mehr Hüter von Geldwert und Preisstabilität, sondern beweisen sich als Financiers einer kurzsichtigen staatlichen Ausgabenpolitik. Was Erhard als «verbrecherisch» bezeichnete, verdeutlicht sich heute in der Art und Weise, wie die Regeln einer gesunden Haushaltspolitik mutwillig missachtet werden. Mit der extrem lockeren Geldpolitik verstossen die Europäische Zentralbank EZB und das amerikanische Federal Reserve Board immer wieder gegen die Prinzipien einer unabhängigen Notenbankpolitik.

Sowohl die USA als auch die Eurozone sehen sich einer markant zügig voranschreitenden Inflation gegenüber, und dennoch zeigen sich die Zentralbanken nur zögerlich in der Abkehr ihrer Geldpolitik. Warum? Die Inflation im Konsumgüterbereich zeigte sich bis dato eher geringfügig, weil die Produktivität in den Produktions- und den Dienstleistungssektoren extrem stark gestiegen ist, wodurch die Kosten gesenkt werden konnten und dadurch, im Rahmen des Wettbewerbs, auch die Preise.

Politisch induzierte Inflationstreiber

Im Bereich der Wertanlagen (Immobilien, Aktien, Unternehmensbeteiligungen etc.) hingegen ist die Inflation bereits seit einigen Jahren enorm, hauptsächlich verantwortet durch die andauernde Niedrigzinspolitik. In den USA werden zudem billionenschwere Infrastruktur- und Sozialprogramme von Präsident Biden das Angebot im Dienstleistungs- und im Produktionsbereich drosseln, weil viele Personen – verleitet durch die neuen Sozialprogramme – nicht mehr zur Arbeit zurückkehren. Besonders Bidens Sozialprogramm wird ein kräftiger, jetzt noch unterschätzter Inflationstreiber sein.

Zudem zeigen sich die durch die Coronapandemie ausgelösten Unterbrüche in den Lieferketten als inflationstreibend, auch wenn Zentralbanken dies als «kurzfristigen Effekt» abtun wollen. Dazu wiederum ein Blick auf die USA, die bspw. sehr stark auf Importe aus Übersee angewiesen sind. Dort stauen sich die Container in und vor den Häfen von San Diego und Los Angeles, den Kernzonen der internationalen Importverschiffung. Der Grund liegt darin, dass es an Lastwagenfahrern mangelt, was sich u. a. auf Bidens Sozialprogramm zurückführen lässt. Dieses Problem steht auch Europa bevor. Der Hauptanteil der Schwertransporte in Europa wird durch Fahrer aus Mitteleuropa – hauptsächlich Polen, Ungarn und der Slowakei – ausgeführt.

Gleichzeitig fordern aber die deutsche und die französische Politik seit geraumer Zeit von eben diesen Ländern, dass die dortige Politik ein äquivalentes Sozialsystem einführt mit der Konsequenz, dass die Dienstleistungsfreiheit im Binnenmarkt verletzt wird. Weiter führt dies zu grossen Schäden im Transportwesen in ganz Europa. Damit provozieren Deutschland und Frankreich mutwillig Lieferengpässe und eine weitere Inflation der Konsumentenpreise.

Ein weiterer Inflationstreiber ist die seit Jahren anhaltende Regulierungs- und Gesetzesflut, auch wenn viele dies nicht wahrhaben wollen. Je mehr Gesetze und Regulierungen berücksichtigt werden müssen, desto mehr steigt der unproduktive administrative Aufwand. Er erhöht die Kostenstruktur in etlichen Branchen um ein Vielfaches, mit dem ­Effekt, dass die Kosten letztlich an Konsumenten und Abnehmer weitergegeben werden (müssen). Zudem erschwert ein immer enger werdendes Korsett an Vorschriften den Innovationsgrad. Denn wie soll Innovation entstehen, wenn wenig Freiraum dafür besteht?

Krise ist wahrscheinlicher als Reformen

Der beratende Wirtschaftssektor mit den grossen Beratungsunternehmen und Anwaltskanzleien ist in den vergangenen Jahren enorm gewachsen, ebenso wie der Anteil der Arbeitnehmer wächst, die im Bereich der öffentlichen Hand tätig sind. Dadurch findet schleichend eine wesentliche Verlagerung weg vom produzierenden und dienstleistenden Gewerbe statt. Das heisst, für die Erzeugung von Produkten und Dienstleistungen gibt es immer weniger Personal, gleichzeitig steigt der Anteil der Personen, die die Kaufkraft für eben diese Produkte und Dienstleistungen haben. Dieses Ungleichgewicht wirkt ebenfalls als Inflationstreiber.

In der Theorie könnten die Zentralbanken nun eine Zinserhöhung und Geldverknappung anpeilen, doch die Schuldenproblematik etlicher Staaten – die eben gerade aufgrund der jahrelangen Niedrigzinspolitik der Zentralbanken keine strukturellen Reformen unternehmen mussten, um ihren Haushalt zu sanieren – erweist sich nun als das grösste Hindernis. Denn Zinserhöhungen und Geldverknappung würden zu einer faktischen staatlichen Zahlungsunfähigkeit führen und die moderne Geldtheorie (MMT) ad absurdum führen, einen Versuch, den Grimm’schen Goldesel Realität werden zu lassen. Welche Möglichkeiten verbleiben demnach noch?

Kanada führte vor etlichen Jahren eine höchst erfolgreiche Reform durch, mit der der Staatshaushalt nachhaltig saniert wurde. Ein Hauptaugenmerk lag dabei auf der Verschlankung des Verwaltungsapparats und dem Einsatz der freigewordenen Arbeitskräfte in produktiven Sektoren. Zudem verpflichtete sich der Staat, jedem Dollar an Steuererhöhung zwei an Einsparung entgegenzusetzen. Dass eine solche Reform heute aber überhaupt möglich wäre, ist sehr zu bezweifeln. Denn Reformen zwingen zu Einsparungen, die sich wiederum negativ auf die Wählergunst auswirken könnten. Eine schwere Krise mit allen daraus entstehenden Kollateralschäden wie einer mehr oder minder schweren Inflation, Staatsbankrotten und völlig zentralisierter Staatswirtschaft wird wohl wahrscheinlicher sein. Wir sollten uns auf Verluste einstellen, die breite Bevölkerungsschichten treffen werden, mit ­gravierenden Auswirkungen auf die Parteienlandschaft und das westliche Demokratiesystem.

Dem Systemkollaps vorbeugen

Ludwig von Mises warnte bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts vor den Verlockungen einer quantitativen Lockerung zur Ausweitung der Geldmenge. In einem seiner Hauptwerke hielt er dazu fest, dass das wiederkehrende Auftreten von Boomperioden mit nachfolgenden Depressionsperioden das unvermeidliche Ergebnis eines sich ständig wiederholenden Versuchs sei, den Marktzins durch Kreditexpansion zu senken. Er betonte, dass es keine Möglichkeit gebe, den finalen Zusammenbruch eines Booms zu verhindern, der durch Kredit­expansion erzeugt worden sei. Was sagt uns das? Auf eine Boomphase muss eine Korrekturphase folgen. Je länger diese aber hinausgezögert wird, desto schmerzlicher wird der Bereinigungsprozess. Deshalb wäre es ratsamer, eine Korrekturphase freiwillig und kontrolliert einzuleiten, als zu warten, bis das System unkontrolliert kollabiert. Dies ist heute nur möglich durch Einsparungen im staatlichen und im supranationalen Bereich.

Man könnte etliche Gesetze streichen, den Verwaltungsapparat gesundschrumpfen, die staatliche Kontrolle über die Notenbanken einschränken (Kryptowährungen sind ein Symptom für den Bedarf an geeigneten Alternativen) und unpopuläre, aber wirksame Schuldenschnitte durchführen, gekoppelt an echte Reformbestrebungen. Man könnte, wenn man denn wollte. Doch es sind wohl bereits Dimensionen erreicht, dass der Mut zu solchen Schritten schlichtweg verloren gegangen ist.

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