exclusiv Magazin
01.08.2020

Wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Auswirkungen und Folgen der Corona-Pandemie

S.D. Prinz Michael von und zu Liechtenstein spricht mit Silvia Abderhalden, Redakteurin des liechtensteinischen Magazins www.exclusiv.li, über die wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Auswirkungen und Folgen der Covid19-Pandemie und wie man sich am besten auf eine unvorhersehbare Zukunft vorbereiten kann.

Im Interview mit Silvia Abderhalden spricht S.D. Prinz Michael über wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Auswirkungen und Folgen der Corona-Pandemie

S.D. Prinz Michael von und zu Liechtenstein ist Executive Chairman von Industrie- und Finanzkontor Etablissement, einem unabhängigen liechtensteinischen Treuhandunternehmen mit Tradition und Expertise im langfristigen und generationenübergreifenden Vermögenserhalt (Wealth Preservation) – insbesondere für Familien und Unternehmer. Auch ist er Gründer und Vorsitzender der Geopolitical Intelligence Services AG, Präsident des Think Tanks European Center of Austrian Economics Foundation, Mitglied des International Institute of Longevity und Vorstandsmitglied der liechtensteinischen Treuhandkammer.

Die verschiedenen Massnahmen zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie haben weltweit in einem Ausmass zu Beeinträchtigungen, Unsicherheiten und Ängsten geführt, wie es seit Jahrzehnten nicht mehr vorgekommen ist. Als die Regierungen der Länder Massnahmen einführten, um die Gesundheitskrise unter Kontrolle zu bringen, kamen die Volkswirtschaften und das soziale Leben schlagartig zum Erliegen und ganze Sektoren wurden stillgelegt. War eine solche Krise in irgendeiner Form voraussehbar?
S.D. Prinz Michael von und zu Liechtenstein: Pandemien wie auch Naturkatastrophen wird es immer geben, sie gehören zur Geschichte der Menschheit. Dass Pandemien von Zeit zu Zeit in Erscheinung treten, darf deshalb nicht überraschen. Allerdings kann aufgrund der hohen Reisefrequenz der Menschen eine Ausbreitung heute wesentlich rascher voranschreiten, als zu früheren Zeiten. Es wäre eine Illusion, dass die Menschheit Katastrophen und Krisen unterbinden kann. Deshalb stellt sich auch weniger die Frage, wie solche vorausgesehen werden können, sondern vielmehr, wie die Menschen damit umgehen? Es gilt, nach dem Wahrscheinlichkeitsprinzip vorzugehen, aber auch, das Bewusstsein zu schärfen, dass es schlussendlich keine absolute Sicherheit gibt. Wichtig ist, dass die Menschen der Krise mit Ruhe und einer positiven Grundhaltung begegnen und nicht panisch reagieren. Dies gilt besonders für Medien, Politik und Behörden.

Wie können wir uns dann auf weitere, ähnliche Krisen vorbereiten? Kann die Politik Präventionsmassnahmen verstärken?
Staaten können Präventionsmassnahmen für wahrscheinliche oder potentiell wahrscheinliche Krisen vorsehen. Für unvorhersehbare Ereignisse aber ist es wichtig, auf die Selbstverantwortung des Einzelnen und die Lösungsorientierung von lokalen Institutionen und Behörden zählen zu können. Jeder Mensch und jede Kultur dieser Welt handelt unterschiedlich. Man kann Europa beispielsweise nicht mit Amerika, Russland oder China vergleichen. Deshalb ist es wichtig, dass Massnahmen lokal getroffen werden können. Es wäre wenig hilfreich, wenn nicht sogar kontraproduktiv, wenn Massnahmen von globalen Einheiten wie zum Beispiel der Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert und dann der ganzen Welt verordnet würden. Das Credo «Globale Probleme brauchen globale Lösungen» klingt zwar gut, funktioniert aber nicht.

Welche Ziele sollten wir anstreben, um das wichtige menschliche Grundbedürfnis, die Sicherheit, zurückzugewinnen?
Menschen streben nach Sicherheit, aber eigentlich ist sie eine Illusion. Das einzig sichere Ereignis im Leben ist leider nur der Tod. Der Luxus eines Wohlfahrtsstaates aber verleitet die Menschen zu dem Glauben, persönliche Verantwortung und Freiheit gegen eine vermeintliche Sicherheit eintauschen zu können. In vielen Ländern nähren sowohl die Politik als auch die Medien diese Illusion. Meines Erachtens wäre es zielführender, einerseits die Selbstverantwortung und damit den Selbstschutz zu stärken, andererseits das Verständnis zu schärfen, sowohl in der Bevölkerung als auch bei Behörden und Regierungen, dass «die Lösung» nicht in allen politischen Entscheidungen liegt.

Ein anderer, wichtiger Punkt ist, dass die Politik in Krisen die Verantwortung trägt und sich nicht einzig auf Experten verlässt. Ansonsten besteht die Gefahr, dass sowohl die Politik wie auch die Experten an Vertrauen verlieren. Experten vertreten ihr Spezialgebiet, die Politik aber muss ausgewogen handeln. Zu Beginn der Corona-Pandemie gestatteten allzu viele Regierungen Wissenschaftlern, die Lage zu dominieren. Eine Debatte, die notwendig gewesen wäre, war nicht erlaubt. Im Gegenteil, sie wurde als Gefahr für Gesundheit und Leben dargestellt. Sich bereits dannzumal abzeichnende Kollateralschäden wurden ignoriert oder in Kauf genommen, beispielsweise indem ältere Menschen zu Risikogruppen erklärt und isoliert wurden, oder indem andere medizinische Behandlungen ausgesetzt wurden.

Die Corona-Pandemie betrifft alle Bereiche unseres persönlichen Lebens. Doch auch unser Gemeinwesen insgesamt – das politische und wirtschaftliche System, der Rechtsstaat, das Gesundheitswesen – bekommt die Auswirkungen der Krise deutlich zu spüren. Überbordende Staatsschulden waren schon vor der Corona-Krise nicht nur in Europa ein Problem. In den Medien lesen wir täglich von Hilfspaketen im Kampf gegen den mutmasslich grössten Wirtschaftseinbruch seit dem Zweiten Weltkrieg, in Höhen bei deren Erfassung uns schwindlig werden kann.

Kann Geld in unbegrenzter Höhe eingeschleust werden? Wohin fliesst es effektiv? Und wer profitiert wirklich davon?
Sicherlich notwendig sind Wirtschaftshilfen im Bereich von KMUs, da diese unverschuldet in Probleme geraten sind. Der Wirtschaftseinbruch ist gewaltig und die Folgen werden sich über Jahre erstrecken, gerade im Dienstleistungs- und Tourismussektor. Die Haltung, Probleme nicht durch Reformen, sondern durch Gelddrucken zu lösen, herrscht leider seit Jahrzehnten vor. Bis vor einigen Jahren wurde diese durch Erhöhung von Staatsschulden finanziert. Dann wurde das «quantitative easing» erfunden und bereits vor der Corona-Krise war ein Status erreicht, an dem die meisten Staatsschulden de facto nicht mehr rückzahlbar waren.

Dazu kommt das Problem, dass die wenigsten Staaten Reserven gebildet haben, um zukünftigen Pensionsverpflichtungen nachkommen zu können. Und auch die Frage, wie die steigenden Gesundheitskosten einer immer älter werdenden Gesellschaft gedeckt werden sollen, ist nach wie vor ungelöst. Mit der Corona-Krise wird nun weiter unbegrenzt Geld gedruckt. Aber wie lange kann das noch weitergehen? Irgendwann wird der «Zahltag» kommen. Und es kann gut sein, dass die Situation dann schlimmer sein wird, als man sich heute vorstellen kann: eine starke Inflation aufgrund überbordender Geldmengen und gleichzeitig eine Deflation aufgrund von Überkapazitäten im Tourismus-, Dienstleistungs- und Produktionsbereich. Liechtenstein nimmt hier eine Sonderrolle ein. Liechtenstein hielt sich schon immer dazu an, sparsam zu wirtschaften, Reserven zu bilden und den öffentlichen Haushalt mit Vorsicht zu verwalten. Dieser Umstand bewährt sich jetzt einmal mehr.

Bei welchen Sicherheitsmassnahmen sehen Sie in der Zukunft eine Gefahr für die Wirtschaft?
Ich glaube nicht, dass wir allzu viele Sicherheitsmassnahmen weiterführen können und auch gar nicht sollen. Allerdings wurde in Europa der Zivilschutz bis zur gegenwärtigen Krise eher vernachlässigt. Zivilschutz ist eine Vorsorge vor Gefahren jeglicher Art. Er bedingt eine Organisationsstruktur und Notfallpläne. Wie die Krise gezeigt hat, ist die Vorratshaltung im medizinischen Bereich mangelhaft. Auch die Sicherung der Versorgungslinien war bislang mangelhaft und es gibt nur wenige Notstandspläne. Gewisse Vorratshaltungen sind notwendig. Aber wie schon gesagt, wir können nicht jegliche Effizienz einer vermeintlichen Sicherheit opfern, sprich alles lokal machen anstatt zu importieren. Zu viele Sicherheitsmassnahmen sind auch eine Gefahr für die Wirtschaft. Im Prinzip muss sich jeder überlegen, wie er oder sie einer zweiten Welle begegnen kann. Aber es muss auch eine gewisse Immunisierung der Bevölkerung stattfinden können. Wenn eine zweite Welle kommt, könnte sich das schwedische Vorgehen eventuell als richtig herausstellen, weil eine breite Bevölkerung in der Zwischenzeit immunisiert ist. Leider wird man erst viel später feststellen können, was richtig oder falsch war. Was es sicher braucht, sind Flexibilität und Mut zu Entscheidungen in der jeweiligen Situation. Das gemässigtere Vorgehen in der Schweiz und in Liechtenstein in den vergangenen Monaten hat sich im Grossen und Ganzen wahrscheinlich bewährt.

Kann die Krise zu Veränderungen im globalen Währungs- und Finanzsystem führen?
Die Krise wird nicht zu globalen Veränderungen führen, kann aber gewisse Tendenzen beschleunigen. Die Währungs- und Finanzsysteme sind bereits krank und die Krise erlaubt, eine unsägliche Geldpolitik fortzusetzen. Zudem gestattet sie gewissen Staaten, die bereits vorherrschende Tendenz, persönliche Freiheitsrechte und Selbstverantwortung einzuschränken, zu verstärken. Auch muss die Krise vielerorts als Entschuldigung für das Fehlverhalten in der Vergangenheit herhalten. Nicht mehr die unverantwortlich hohen Staatsausgaben sind schuld an der finanziellen Misere der öffentlichen Hand, sondern ein klitzekleines Virus, das vermeintlich die Existenz der Menschheit bedroht. Doch eigentlich liegen die Gefahren ganz woanders.

Welches wäre der wichtigste Ratschlag, den Sie heute einem Menschen geben würden, der versucht, sein Vermögen langfristig aufzubauen und zu schützen und Sicherheit für die nächste Generation zu schaffen?
Vermögen entsteht durch Arbeit und Verzicht auf den Konsum von Erträgen, die aus der Arbeit resultieren. Also durch Sparen. Das Grundproblem heute aber liegt darin, dass vor allem die staatliche Steuerpolitik viele Erträge verschlingt und nicht viel zum Sparen übriglässt. Und die Tief- bis Negativzinspolitik von Zentralbanken macht Ersparnisse in Geld zudem unattraktiv. Daher bieten Anlagen in Sachwerte derzeit die interessanteste Alternative. Dies können beispielsweise Aktien, Immobilien oder der Ausbau des eigenen Unternehmens sein. Die heutige Situation führt aber dazu, dass es für die nächste Generation wenig Sicherheit im Hinblick auf Vermögen geben kann, insbesondere sind Pensionsguthaben durch langjähriges staatliches Versagen ausgehöhlt. Doch es können Massnahmen ergriffen werden, um Vermögen zu schützen. Die wichtigste Massnahme liegt meines Erachtens in der Erziehung. Die nächste Generation muss die Erfahrung machen können, dass ein verantwortungsvoller Umgang mit Vermögen wichtig ist, und selbst auch die Haltung einnehmen, dass Vermögen Verantwortung bedeutet, die es wahrzunehmen gilt. Eine der besten Erziehungsmassnahmen ist, Verantwortungsbewusstsein und Disziplin sowie Fleiss seitens der Eltern vorgelebt zu bekommen.

Um abzuschätzen, wie sich die Pandemie in Zukunft entwickelt, werden medizinische Fortschritte wichtiger werden. Trotz aller medizinischen Erfolge werden wir akzeptieren müssen, dass Corona und ähnliche Pandemien wieder vorkommen können. Gewiss hat es gravierende Versäumnisse gegeben. Kann man das künftig ändern, obwohl es ja leider zu einer gängigen Haltung gehört, Warnungen für eine nicht konkret absehbare Zukunft zu ignorieren?
Medizinischer Fortschritt ist wichtig, damit Krankheiten erkannt und auch vorgebeugt werden können. Aber die medizinische Forschung ist nicht dazu gemacht, um alle Gefahren von neuen Viren zu erkennen. Die grosse Herausforderung liegt wohl darin, dass die Bevölkerung erkennt, dass sie für ihre eigene Gesundheit selbst verantwortlich ist. Unabhängig vom Alter ist Gesundheit der wichtigste Faktor, um resistent gegen Krankheiten und Epidemien zu sein. Eine robuste Gesundheit kann aber nicht durch staatliche Programme gesteuert werden, sondern in erster Linie durch ein bewusstes, auf Eigenverantwortung bauendes Verhalten entstehen. Hier spielt der Lebensstil mit beispielsweise Bewegung und Ernährung hinein.

«Lass niemals eine Krise ungenutzt verstreichen.» Die Corona-Gesundheitskrise ist auf eine instabile Weltwirtschaft gestossen, in vielen europäischen Ländern haben erhöhte Ausgaben zu erheblichen Schulden geführt. Welche Massnahmen oder Wege könnten aus dieser Krise eine Chance werden lassen?
Unglücklicherweise wurde diese Krise von den grossen Schuldenmachern auf nationaler und supranationaler Ebene als Chance ergriffen, um jegliche Vernunft im Hinblick auf Ausgabendisziplin fallenzulassen und die Geldschleusen weit zu öffnen. Zentralbanken erzeugen künstliches Geld, für das keine Gegenleistung erbracht wird. Die reale Wirtschaft ist mit Beginn der Krise durch staatliche Auflagen extrem in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt worden und der Situation ziemlich fassungslos, vor allem aber machtlos, gegenübergestanden. Erste Erkenntnisse zeigen aber auch, dass die Krise für Bereiche der Wirtschaft Chancen bietet. Damit einhergehen aber halt auch gewisse Verlagerungen. Bereits zeigt sich, dass zum Beispiel der Onlinehandel zulasten des bestehenden Detailhandels gestärkt worden ist und auch, dass sich die Tendenz zu Homeoffice verstärkt hat. Ob das gut ist, sei dahingestellt, aber es ist eine Tatsache. Leider herrscht derzeit eindeutig der unglückliche «Primat der Politik» gegenüber den Interessen der Wirtschaft vor, der zu der falschen Annahme verleitet, dass die Politik alles regeln und steuern kann. Negative Folgekonsequenzen gehen zulasten der Bevölkerung, beispielsweise durch politische Massnahmen, die die Wirtschaft schwächen. Der Primat der Politik zieht für gewöhnlich auch mehr Gesetze und Regulierung nach sich, was sich schädlich auf Innovation und kreative Ideen auswirkt.

Birgt die Krise auch Erkenntnismöglichkeiten für die Politik?
Für eine aufmerksame und verantwortungsvolle Person bieten sich ständig Erkenntnismöglichkeiten und Krisen sind Katalysatoren für Erkenntnisse. Es macht aber in einer Situation einen entscheidenden Unterschied, ob man Erkenntnisse erhält, die einem helfen positiv weiterzuarbeiten, oder ob die Situation ausgenützt wird, um gewisse ideologische oder parteipolitische Erfolge erzielen zu können. Leider sieht man gerade in der vorherrschenden, fehlenden Ausgabendisziplin, dass die aktuelle Krise missbraucht wird. Die Erkenntnis für die Politik sollte nun eigentlich sein, dass man in guten Zeiten Reserven für Krisen aufbaut, um dann gestärkt aus einer Krise herausgelangen zu können. In Liechtenstein ist diese Haltung glücklicherweise ein Fakt.

Die Lehre sollte auch sein, stärker auf die Selbstverantwortung der Bürger zu setzen und dem einzelnen Bürger mehr Freiheiten zu lassen, anstatt die Selbstverantwortung durch ein engmaschiges Regulierungsnetz einzuschränken. Die Politik muss einsehen, dass der Staat nicht ein Instrument zur parteipolitischen Machtausübung ist, sondern dass er dazu da ist, um Aufgaben auszuüben, die nur durch den Staat ausgeübt werden können, wie beispielsweise das Polizei- und Justizwesen. In Liechtenstein sind wir in der glücklichen Situation, dass die Politik weitgehend auf einen schlanken Staat setzt.

Die Schuld an der Überregulierung wird gerne der Union zugeteilt. In welchen Bereichen hat Ihrer Ansicht nach die EU überreagiert oder ist zu wenig oder gar nicht eingeschritten und was sind die wichtigsten Erkenntnisse daraus?
Das Gesundheitswesen ist nicht Angelegenheit der Europäischen Union, was wahrscheinlich auch gut so ist. Vorbeugende und heilende Massnahmen müssen an regionale Gegebenheiten angepasst werden können. Verkehrs-, Wirtschafts- und Gesellschaftsstrukturen oder auch Gepflogenheiten sind je nach Region unterschiedlich und das Gesundheitswesen muss dem Rechnung tragen. In anderen Bereichen wird der Europäischen Union gerne der schwarze Peter für die Überregulierung zugeschoben, was aber nur bedingt berechtigt ist. Die Überregulierung findet stark auf nationaler Ebene statt und es darf nicht vergessen gehen, dass die Union stark an den Willen der Mitgliedsstaaten gebunden ist. Allerdings ist es schon auch so, dass viele Aufgaben auf Unionsebene geregelt oder verwaltet werden, die eigentlich in den nationalen oder regionalen Bereich gehören würden. Grundsätzlich sollte deshalb das Subsidiaritätsprinzip in der Europäischen Union gestärkt werden. Allerdings geben Mitgliedsstaaten gerne gewisse ungeliebte Verantwortlichkeiten an die Union ab. Eine gemeinsame Budget- und Finanzpolitik beispielsweise würde die Europäische Union, die im Grundsatz einen grossen Binnenmarkt bewahren soll, zu einer Transferunion machen, was die wichtige aber je nach Auffassung unliebsame Budgetverantwortung der einzelnen Mitgliedsstaaten reduzieren würde. Hier zeigt sich eine gefährliche Zentralisierungstendenz.

Bisher lässt sich feststellen, dass es Ländern mit dezentralisierten Gesundheitssystemen besser geht. Inwieweit kann oder sollte sich die Europäische Union in gemeinsame Lösungen einbringen?
Wie bereits zuvor ausgeführt, bin ich der festen Überzeugung, dass regionale und pragmatische Lösungen hilfreicher wären, anstatt nach zentralen europäischen Lösungen zu suchen. Gerade in Grenzgebieten wie hier im Bodenseeraum, zu dem Liechtenstein, die Ostschweiz, Westösterreich sowie Südwestdeutschland zählen, sind regionale Lösungen sinnvoller und effektiver, als europäische Lösungen. Die Europäische Union ist bedeutsam für die Wahrung des Binnenmarkts. Es bedarf auch einer europäischen Zusammenarbeit im globalen Wettbewerb und in der Verteidigung. Allerdings muss das nicht notwendigerweise durch Brüssel wahrgenommen werden, sondern könnte zum Beispiel über Vereinbarungen zur Zusammenarbeit zwischen verschiedenen europäischen Staaten geregelt werden. Das Gesundheitswesen wiederum ist eine Dienstleistung und muss sich den lokalen Bedürfnissen anpassen, weil die gesellschaftlichen und demografischen Strukturen sowie beispielsweise auch das Klima, der Verkehr und die Wirtschaft in einer jeweiligen Region unterschiedlich sind.

Wir haben hier in Liechtenstein ein sehr ausgewogenes Regierungssystem, das zu Zusammenhalt und Wohlstand führt. Es ist ein Beweis dafür, dass die Kombination aus Monarchie, direkter Demokratie und der hohen Autonomie der Gemeinden gut funktioniert, um persönliche Unabhängigkeit und das Privateigentum zu achten und schützen. Zunehmend werden in westlichen Demokratien Eigentumsrechte und die Wahlfreiheit eingeschränkt. Verstärkt die Corona-Krise diese Entwicklung?
In Europa zeigt sich zunehmend eine eigentumsfeindliche Einstellung. Sie äussert sich beispielsweise in den Diskussionen um eine «angemessene» Besteuerung von Vermögen und Einkommen oder in Gleichheitsdebatten. Dabei wird vergessen, dass Eigentum eine wesentliche Grundlage für die persönliche Freiheit der Bürger ist. Ideologien und Parteien, die auf eine starke Kontrolle des Staats über die Bürger setzen, sind für gewöhnlich auch eigentumsfeindlich eingestellt. Eine extreme Ausrichtung davon ist der Marxismus. Trotz des fatalen Versagens dieser Fortsetzung von Seite 29 Ideologie, erlebt der Marxismus heute eine gewisse Renaissance. Parteien und Ideologien, die eine starke Einschränkung von persönlichem Eigentum befürworten und sich einen starken Staat wünschen, benutzen die Corona-Krise dazu, um ihre Ideen und Ideologien durchzusetzen. Und es ist auch nicht auszuschliessen, dass das grosse Schuldenmachen im Rahmen dieser Krise zu konfiskatorischen Vermögensabgaben führen wird. Hohe Vermögensabgaben an den Staat werden sich aber sehr negativ auf die Wirtschaft und den allgemeinen Wohlstand auswirken. Wir hier in Liechtenstein können uns wirklich glücklich schätzen, in einem Land zu leben, das sich dadurch auszeichnet, dass die persönliche Freiheit hochgehalten wird, sowohl von der Bevölkerung, als auch von den Institutionen. Und dass die staatlichen Institutionen ihre Machtkompetenz verantwortungsvoll ausüben.

Zukunftsweisend müssen wir uns und unsere Kinder vermehrt darauf vorbereiten, dass vieles ausserhalb unserer Kontrolle liegt? Wenn ja, wie können wir das?
Es ist richtig, dass vieles sich nicht kontrollieren lässt. Die beste Vorbereitung auf Unvorhergesehenes liegt in der Einstellung eines jeden Einzelnen, schliesslich und endlich für sich selbst verantwortlich zu sein und das auch sein zu können. Was aber nicht heisst, dass man für die Schwächeren in der Gesellschaft keine Mitverantwortung trägt. Allerdings darf dadurch kein unverdientes Anspruchsdenken in der Gesellschaft erzeugt werden. Ein Verzicht auf Anspruchsdenken ist notwendig. Essenziell ist, nicht zu erwarten, sondern selbst anzupacken.

Wir bedanken uns bei S.D. Prinz Michael von und zu Liechtenstein ganz herzlich für das Interview.

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