
Der Staat will heute alles leisten und greift immer schamloser nach dem Vermögen seiner Bürger. Das hat fatale Folgen für Wirtschaft, Wohlstand und sozialen Frieden.
Beitrag S.D. Prinz Michael von und zu Liechtenstein . Finanz und Wirtschaft . Ausgabe 19.11.2025
«No Taxation without Representation!» Mit dieser Parole brachten die der britischen Krone unterstehenden Bürger in Amerika einst ihren Unmut zum Ausdruck, Gesetze befolgen und Steuern entrichten zu müssen, ohne ein politisches Mitspracherecht bei der Gesetzgebung zu haben.
Dieser Umstand war ein wesentlicher Grund für den später folgenden Unabhängigkeitskrieg, mit dem die Bürger in Übersee ihre Rechte und Freiheiten von der britischen Krone einforderten und schliesslich ihre Freiheit erkämpften. Der amerikanische Unabhängigkeitskrieg war Ausdruck dafür, dass eine echte politische Teilhabe für die Stabilität einer Gesellschaft wichtig ist.
Unersättlicher Bedarf
In der Konsequenz trug dieses historische Ereignis zum Verständnis der Gewaltentrennung bei. Ein Parlament sollte als Kontrollinstanz über die Staatsfinanzen walten, dementsprechend sollte eine Exekutive rechenschaftspflichtig gegenüber dem Parlament werden. Die Judikative wiederum sollte gänzlich unabhängig über Recht und Ordnung entscheiden können.
In späterer Folge wurde das Prinzip der Gewaltentrennung auch in europäischen Verfassungen verankert mit dem Ziel, Machtkonzentration und Willkür zu verhindern und die Exekutive zu einer verstärkten Budgetdisziplin zu verpflichten.
Heute sehen sich etliche Bürger mit einem weitgehend dysfunktionalen Staat konfrontiert, der die Steuergesetzgebung immer mehr auszuweiten versucht, schlicht und einfach, weil er zu hohe Ausgaben und einen überdimensionierten Verwaltungsapparat aufweist.
Steigende Staatsausgaben führen konsequenterweise zu steigendem Steuerniveau, dementsprechend wird die Verfügungsgewalt über Privat- und Unternehmervermögen in etlichen Ländern mehr und mehr auf eine elitäre Kaste von Politikern verlagert. Immer komplexer werdende Steuergesetze dienen dabei als zentraler Zugriffshebel.
«Seit Jahrzehnten tritt der eigentliche Zweck
von Steuereinnahmen immer mehr in den Hintergrund.»
Mit Hilfe der Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD) wird der politische Einflussbereich auf grosse Vermögen forciert und der über die vergangenen Jahre ausgeweitete Austausch von Steuerdaten erleichtert dies. Die von der OECD vorangetriebene «Harmonisierungspolitik» zielt zusätzlich darauf ab, Steuersätze und Bemessungsgrundlagen auf einem höchstmöglichen Niveau anzugleichen.
Doch steht es Staaten oder Organisationen wirklich zu, immer weitreichender in die Eigentumsrechte seiner Bürger einzugreifen? Stehen die Entwicklungen im Steuerbereich noch im Einklang mit den Prinzipien einer freien, demokratischen Gesellschaft? Oder sind sie Ausdruck einer systembedingten Fehlüberlegung, die immer stärker den Unmut der Bürger auf sich zieht? Stimmen der ursprüngliche Sinn und Zweck von Steuern und die heutige Auslegeart noch überein?
Missverstandene Politik
Steuern bilden eine wesentliche Grundlage, damit ein Gemeinwesen funktionieren kann. Über Steuern und Abgaben tragen Bürger dazu bei, die notwendigen Ausgaben eines Staats für das Gemeinwohl zu finanzieren. Aus dieser Perspektive sind Steuern als Zeichen der Solidarität zu verstehen.
Das Steuersubstrat entsteht in der Privatwirtschaft, durch Unternehmer und Arbeitskräfte. Ohne funktionierende Privatwirtschaft keine Steuern. Hier beginnt das Problem. Steuern dürfen nicht zum Selbstzweck verkommen. Ein Staat soll sich diesbezüglich darauf beschränken, mit den Steuereinnahmen jene Aufgaben zu erfüllen, die für das Gemeinwohl notwendig sind wie etwa Investitionen in Sicherheit, Infrastruktur, Rechtsstaatlichkeit etc.
Seit Jahrzehnten aber tritt dieser eigentliche Zweck von Steuereinnahmen immer mehr in den Hintergrund. Stattdessen entwickelt sich ein System, das sich selbst erhält, ein überdimensionierter Verwaltungsapparat, der einen guten Teil der Steuergelder für sich beansprucht. Gleichzeitig wird unter dem Etikett der «Gerechtigkeit» der Zugriff auf Privatvermögen immer weiter verschärft.
Der automatische Informationsaustausch etwa soll Steuerflucht verhindern, tatsächlich aber untergräbt er die Privatsphäre des Einzelnen und zieht einen überdimensionierten Aufwand nach sich. Privatvermögen wird als Quelle für politisch motivierte Umverteilung gesehen, statt als produktives Kapital, das für Innovation, Unternehmertum und Arbeitsplätze benötigt wird.
«Komplexe Steuergesetze erhöhen Bürokratie
und können Unternehmen davon abhalten,
in Forschung und Entwicklung zu investieren.»
Je mehr ein Staat reguliert und umverteilt, desto mehr verhindert er Wachstum und gesellschaftliche Prosperität. Die Folgen sind sinkende Wettbewerbsfähigkeit, stagnierende Innovation, Verlust an Unternehmertum, sinkende Sparquoten, wachsende soziale Spannungen etc. Ein Staat kann nicht dauerhaft verteilen, was er für die Finanzierung des Gemeinwohls unterbindet. Fehlende Budgetdisziplin und fortwährend steigende Staatsausgaben stellen die grösste Bedrohung für Sicherheit, Freiheit und Wohlstand dar.
In vielen europäischen Ländern wird ernsthaft über eine Wiedereinführung beziehungsweise Erhöhung von Vermögens- und Erbschaftssteuern diskutiert. In der Schweiz steht Ende November die Abstimmung zur Juso-initiative an, die die Einführung einer 50%-Erbschafts- und Schenkungssteuer ab einem Freibetrag von 50 Mio. Fr. fordert.
Regulierungsschübe, Steuerharmonisierung und Initiativen zur Erlangung einer vermeintlichen Steuergerechtigkeit mögen auf dem Papier attraktiv erscheinen, in der Realität haben sie gravierende Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft. Komplexe Steuergesetze erhöhen Bürokratie und können Unternehmen davon abhalten, in Forschung und Entwicklung zu investieren. Steuerkonformität ist oft mit kostspieligen Beratungsleistungen und Softwarelösungen verbunden.
Eine dynamische Entwicklung in der Steuergesetzgebung erschwert die langfristige unternehmerische Planung und behindert insbesondere Start-ups und kleinere Unternehmen. Auch wenn es eine Wiederholung ist: Langfristig braucht es auf dem Weg zu wirtschaftlichem und gesellschaftlichem Erfolg eine einfache, verständliche und überschaubare Steuergesetzgebung.
Was uns die Geschichte lehrt
Schaut man zurück in die Geschichte und auf Ereignisse wie jene der amerikanischen Unabhängigkeitsbewegung, so erkennt man, wie wichtig eine gesunde Balance zwischen staatlicher Macht und politischer Bürgerbeteiligung ist. Steuern sollen das Gemeinwohl sichern, nicht aber den Geist der unternehmerischen Freiheit ersticken. Ein einfaches, wirtschaftsfreundliches Steuersystem ist eine Voraussetzung für Innovation, Unternehmertum und eine stabile Gesellschaft. Alles andere führt langfristig zu politischer Ineffizienz, wirtschaftlichem Stillstand und gesellschaftlicher Inakzeptanz.
Die Schweiz und Liechtenstein sind Beispiele, die beweisen, dass eine solche Balance möglich ist. Über kluge, ausgewogene Governance-Systeme kann hier Bürgerbeteiligung effektiv gelebt werden, staatliche Macht wird in Schranken gehalten.
Das abschliessende Zitat, das dem Philosophen Thomas von Aquin zugesprochen wird, soll daran erinnern, dass Freiheit und Wohlstand nur in einem politischen System gedeihen können, das auf Vernunft und Wahrheit fusst: «Die Wurzel der Freiheit liegt in der Vernunft, es gibt keine Freiheit ausser in der Wahrheit.»
Der einzelne Bürger kann nur dann frei entscheiden, wenn er vor staatlichem Zwang geschützt ist, sich aktiv in den politischen Diskurs einbringen und sicherstellen kann, dass politische Entscheidungen die Bedürfnisse der Bürger spiegeln und dem Wohl der Allgemeinheit dienen. Wenn Steuergesetze so gestaltet sind, dass ein jeder Bürger sie verstehen und anwenden kann, dann können Bürger selbstbestimmt handeln – eine wesentliche Voraussetzung für echte Freiheit.