Staatliche Souveränität und internationale Organisationen
15.12.2023

Souveränität im Sog der Kollektive

Um den Wandel zu bewältigen, in dem die Welt sich befindet, ist ein umfassendes Zusammenspiel erforderlich, das dezentral und marktwirtschaftlich konzipiert ist. Internationale Harmonisierung ist der falsche Weg.

Karl Marx entwickelte, in Anbetracht der Industrialisierung zur Mitte des 19. Jahrhunderts, die Theorie zur Verelendung der arbeitenden Klasse. Darin bezeichnete er die kapitalistisch geprägte Produktionsweise als Ursache, dass eine breite Gesellschaftsschicht ausgebeutet und in die Armut getrieben wird und dass der einer Marktwirtschaft zugrundeliegende Leistungsgedanke lediglich eine kleine Gruppe von Besitzenden und Unternehmern begünstigt. Der Verlauf der Zeit zeigt aber, dass diese Theorie nicht zutraf. Das Gegenteilige war der Fall.

Es kristallisierte sich heraus, dass dort, wo marktwirtschaftliche Prinzipien und Wettbewerb gelebt wurden,
innovative Ideen entstehen konnten, die wiederum zu Produktionssteigerungen, Beschäftigung und Wertschöpfung führten. Dadurch konnte ein Wohlstand generiert werden, mit dem der Lebensstandard breiter Bevölkerungsschichten schrittweise angehoben wurde. Zudem verhinderten gezielte ordnungspolitische Massnahmen eine Konzentration von Monopolen, wie etwa die um die vordere Jahrhundertwende in den USA erlassenen Anti-Trust-Gesetze.

Wo eine Verelendung der Massen tatsächlich eintraf, war in jenen Ländern, die dem kommunistischen Ideal einer zentral gesteuerten Wirtschaft nacheiferten, etwa in der ehemaligen Sowjetunion, später in der Deutschen Demokratischen Republik. Heute zeigt sich dies in Venezuela.

Abkehr von alten Werten
Interessanterweise nähert man sich wieder vermehrt Marx’ Theorie an, in deren Sinne alles, was mit Kapital und Vermögen zu tun hat, als schädlich für eine Gesellschaft angesehen wird und die Schuld an den Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten in dieser Welt trägt, und wo Privateigentum zugunsten des Kollektivs aufgeteilt und die Gesellschaft an sich möglichst gleich werden soll. «Die Reichen werden auf Kosten der Armen reicher» dient schon seit Längerem als Parole entlang aller politischen Couleur, um breite Bevölkerungsschichten für ideologische oder politische Zwecke zu gewinnen.

Politische Akteure führender Staaten streben immer offensichtlicher in Richtung einer globalen Koordination planwirtschaftlicher Ansätze. Die Bevölkerung lässt sie gewähren. Planwirtschaftliche Ansätze sind wieder en vogue, weil sich damit vermeintlich Ungleichheit und Ungerechtigkeit ausmerzen lassen. Das politische Ansinnen hinter dieser Tendenz ist nachvollziehbar. Zentralistisch geprägte Strukturen stellen ein praktikables Instrument für die grossen, einflussreichen Länder dar, um die Welt nach ihren Vorstellungen zu formen und dadurch die eigene Position zu privilegieren.

Augenfällig für diesen Trend ist etwa der «neue» Washington-Konsensus, den Jake Sullivan – Berater für nationale Sicherheit des US-Präsidenten Joe Biden – im April verkündete und Amerika damit offiziell von Marktwirtschaft, Freihandel und Globalisierung verabschiedete. Abschottung und Staatsinterventionen im grossen Stil sollen zu neuer Stärke verhelfen. Den alten Washington-Konsensus, mit dem Ende der Achtzigerjahre zielführende marktwirtschaftliche Reformen (Deregulierung, Freihandel, liberale Wirtschaftsordnung, Eigentumsrechte etc.) zur Entwicklung Lateinamerikas beschrieben wurden und die in weiterer Folge weltweiten Anklang fanden, bezeichnete Sullivan als nicht mehr zeitgemäss.

Supranationale Organisationen und Bündnisse (etwa die OECD und G-20) spielen eine wichtige Rolle auf
diesem Weg. Sie sind zwar weder demokratisch legitimiert, noch haben sie eine Rechenschaftspflicht für ihr Tun, doch ihr Einfluss ist weitreichend. Auf dieser Ebene fassen Staats- und Regierungschefs grosser Länder Beschlüsse, die in der Folge über die Hoheitsrechte von Nationalstaaten hinweg in global verbindliche Standards und Richtlinien umgewandelt werden. Das globale Kollektiv wird höher gewichtet als die nationale Souveränität.

Die ursprüngliche Idee, die den meisten supranationalen Organisationen und Bündnissen zugrunde liegt, wird hier missbraucht: Sorge zu tragen, dass Völker- und Menschenrechte geachtet werden und dass Wirtschaftswachstum ermöglicht und gesellschaftlicher Wohlstand gefördert wird. Stattdessen werden sie verwendet, um die Freiheit der Bürger und den Wettbewerb einzuschränken, zugunsten einer zentral geplanten Wirtschaft und Gesellschaft.

Die heutigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sind nicht mehr mit jenen zu Zeiten von Marx vergleichbar – auch wenn die im Zuge der voranschreitenden Digitalisierung und Technologisierung geäusserten Ängste über mögliche negative Effekte auf Arbeitsplätze dazu verleiten, diesen Eindruck wiederzuerlangen. Auch die Sichtweise auf Kapitalismus, wie Marx sie einst als Ausgangslage für seine These genutzt hatte, ist – und war es ehrlicherweise auch nie – nicht haltbar. Jedoch hat sich dadurch über viele Generationen hinweg das Bild des «gierigen, selbstsüchtigen Kapitalisten » gefestigt, der Menschen und Ressourcen ausbeutet. Vermögend sein wird heute gerne mit Unmoral gleichgesetzt. Diese Denkhaltung ist tief in Gesellschaften verwurzelt. Die Werbeindustrie trägt dazu bei, indem sie Reichtum gleichsetzt mit einem erfolgreichen Leben.

Die heutige Weltwirtschaft ist stark vernetzt und baut auf offenen Märkten und freiem Handel. Dies erlaubt nicht bloss Innovation und Unternehmertum, sondern fordert selbiges auch ein, wovon schliesslich alle profitieren. Die Gewährleistung von Eigentumsrechten und Rechtsstaatlichkeit bilden dabei zentrale Eckpfeiler, damit Innovation und Unternehmertum gelebt werden können. Gleichzeitig muss es den einzelnen Staaten möglich sein, weiterhin im freien Wettbewerb zueinanderzustehen. Im Sinne eines ordnungspolitischen Korrektivs passen Länder ihre Wirtschaftsordnung natürlicherweise an sich verändernde wirtschaftliche, technologische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen an.

Ein Wettbewerb zwischen Staaten zwingt zu erfolgreichen Systemen. Zentralismus und Planwirtschaft wirken bereits sehr negativ auf nationaler Ebene. Ein Effekt, der sich durch zwischenstaatlichen Wettbewerb mindern lässt. Eine globale Planung hingegen kann hier nur hinderlich sein. Die grossen Herausforderungen unserer Zeit (Umwelt, Migration etc.) lassen sich nicht durch Zentralismus, Abschottung oder Harmonisierung lösen. Der damit voranschreitende, zentralistisch geprägte Staatskapitalismus würde sich zur Gefahr für den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Fortschritt entwickeln sowie eine nachhaltig friedvolle Zusammenarbeit gefährden.

Augenmass bewahren
Die Welt durchläuft einen starken Wandel, und die Herausforderungen sind immens. Es ist verständlich, dass Regierungen in einer solchen Zeit vermehrt auf das eigene (staatliche) Wohlergehen bedacht sind. Doch was es in dieser Zeit braucht, ist ein global funktionierendes Zusammenspiel, das auf einer marktwirtschaftlichen Grundhaltung und auf dezentralen Strukturen aufbaut. Auch gilt es, alles, was den bisherigen Wohlstand und die gesellschaftliche Entwicklung ermöglicht hat, zu würdigen anstatt es zu verteufeln.

Die Schweiz und Liechtenstein, beide stark im grenzüberschreitenden Geschäft tätig, werden über diese Ansinnen in Richtung Harmonisierung und zentraler Steuerung durch die internationale Vernetzung in ihrer Souveränität eingeschränkt. In der Umsetzung jedoch besteht die Möglichkeit, mit Augenmass und Verhältnismässigkeit zu agieren und die Anforderungen grössenverträglich anzuwenden – bei gleichzeitiger Einhaltung europäischer und internationaler Bestimmungen.

Kontaktieren Sie uns ganz einfach per Telefon oder direkt per E-Mail.

Kontakt
crossmenuchevron-right