I&F News
10.10.2022

Familienunternehmen müssen vorausdenken

Gegründet 1948 von Mitgliedern der Fürstlichen Familie Liechtenstein, steht Industrie- und Finanzkontor seither mehrheitlich im Besitz und unter der Leitung von Familienmitgliedern. Ursprünglich als Family Office gehandhabt, zählt das Unternehmen heute zu den führenden Anbietern auf dem Gebiet der grenzüberschreitenden Vermögensstrukturierung und des langfristigen Erhalts von Familien- und Unternehmervermögen. Im Jahr 2020 wurde I.D. Gisela Bergmann, Prinzessin von und zu Liechtenstein, in den Verwaltungsrat gewählt. Zu Beginn dieses Jahres wurde sie zum CEO ernannt.

Prinzessin Gisela absolvierte ein Studium in Ingenieurwesen an der ETH Zürich. Es folgten berufliche Stationen im Investmentbanking und Ingenieurwesen in England, Kanada, Singapur und der Schweiz. Sie ist die Tochter von S.D. Prinz Michael von und zu Liechtenstein.

Prinzessin Gisela, Sie haben Einblick in unterschiedliche Unternehmen genommen. Worin unterscheidet sich ein eigentümergeführtes Familienunternehmen, wie Industrie- und Finanzkontor, von anderen Unternehmen?
Der wesentliche Unterschied liegt in der Denkhaltung und in der sehr starken Verbundenheit der Familie mit dem Management, den Mitarbeitenden und Kunden. Das führt zu einer hohen Identifikation und einem überdurchschnittlichen Engagement. Deshalb sind Familienunternehmen in der Regel auch sehr langfristig ausgerichtet.

Also eine Vorbildfunktion der Familie?
Ja. In einem Familienunternehmen investieren Familienmitglieder für die unternehmerische Vision privates Kapital und Lebenszeit und verantworten sich persönlich für das Gelingen. Diese Werthaltung beeinflusst das unternehmerische Handeln und sorgt gegenüber Mitarbeitenden und Kunden für Sicherheit und Stabilität.

Inwiefern?
Die Familie bürgt mit ihrem Namen. Daraus entsteht im Unternehmen ein grundsätzlicher Ansporn zu überzeugen, durch Leistung und Qualität. Die familiären Werte bilden das Fundament für die Governance. Ein starkes, diversifiziertes Management und eine motivierte, gut ausgebildete Belegschaft, die hinter diesen Werten stehen. Durch die Verbundenheit mit der Familie ziehen alle an einem Strang, alle wissen um ihre Verantwortung und setzen sich aus persönlicher Überzeugung für das Unternehmen ein. Davon profitieren die Kunden.

Industrie- und Finanzkontor hat eine nicht alltägliche Herkunft. Wie spiegelt sie sich im Unternehmen wider?
Unsere Wurzeln liegen im Fürstenhaus Liechtenstein, das seit fast tausend Jahren Bestand hat und sich seit Beginn durch Leistungsbereitschaft, ein Gespür für Innovation und Unternehmertum und dem Streben nach Unabhängigkeit auszeichnet. Diese Tradition zieht sich als roter Faden durch die Familiengeschichte und ist bis heute prägend, auch für Industrie- und Finanzkontor. Wir betrachten Vermögen und Familie aus einem holistischen Blickwinkel und denken dabei in Generationen.

Industrie- und Finanzkontor fokussiert sich auf den langfristigen Erhalt von Vermögen und Werten für Kunden und strukturiert Vermögen über Rechtsträger. Wie spielt dieses Bewusstsein für Familie und Vermögen hier hinein?
Jede Kundensituation ist anders und jede Familie unterscheidet sich. Private Vermögen und insbesondere Familienvermögen sind so vielseitig, wie die Menschen, denen es gehört. Das
Bewusstsein für Familie und Vermögen äussert sich in unserem unternehmerischen Denken und Handeln und widerspiegelt sich in den individuellen Lösungen, die wir entwickeln. Wir
betrachten Vermögen stets aus einer objektiven Gesamtperspektive und fokussieren nicht nur die materielle, sondern vor allem auch die immaterielle Seite.

Warum ist die immaterielle Betrachtungsweise für eine Vermögensstrukturierung bedeutsam?
Werthaltungen, Bedürfnisse, Erwartungen und Zielvorstellungen sowie die Rahmenbedingungen, in die ein Vermögen eingebettet ist, sind Faktoren, die ein Vermögen langfristig beeinflussen. Deshalb erachten wir es als wichtig, darauf ein besonderes Augenmerk zu legen. Unternehmerfamilien unterstützen wir darin, ihre Vermögens- und Familienkultur zu formulieren und das innerfamiliäre Verständnis für das Familienvermächtnis zu stärken.

Irgendwann kommt der Zeitpunkt, an dem die Nachfolge in einem Familienunternehmen geplant werden sollte. Welche Punkte gilt es dabei zu beachten?
Abgesehen von der formellen Nachfolgeplanung bilden eine klare Kommunikation und eine positive Vorbildhaltung der Vorgängergeneration die Grundlage für eine gelingende Nachfolgeplanung. Im Weiteren sollten Familienmitglieder grundsätzlich beruflich und finanziell unabhängig sein, Erfahrungen sammeln, ein Interesse am Familienunternehmen zeigen und die entsprechende Leistungsbereitschaft mitbringen. Meine Schwester und ich wurden früh in Gespräche zur Unternehmensentwicklung und bei strategischen Entscheidungen miteinbezogen. Aber es war stets uns selbst überlassen, ob wir eines Tages die Verantwortung für das Unternehmen übernehmen wollen.

Die Welt steckt mitten in einer Transformationsphase: fortschreitende Digitalisierung, veränderte Kundenansprüche, Umwälzungen im Regulierungsgefüge, geopolitische Neuordnung. Worin sehen Sie die Hauptverantwortung einer Nachfolgegeneration liegen?
Zunächst sollte der Antritt einer Unternehmensnachfolge als Privileg und nicht als Selbstverständlichkeit angesehen werden. Das anvertraute Unternehmen sollte zugunsten kommender Generationen weiterentwickelt werden, sowohl auf familiärer Ebene als auch mit Blick auf Mitarbeitende und Kunden. Es gilt, der sozialen und gesellschaftlichen Verantwortung Sorge zu tragen. Die Zeiten sind herausfordernd, gerade mit Blick auf die Erosion von Privatvermögen durch Politik und Gesellschaft. Der zunehmende bürokratische Aufwand hemmt die Produktivität und gefährdet den gesunden Pragmatismus. Unproduktive Bürokratie muss vermieden werden. Gleichzeitig bietet sich ein enormes Potenzial für neue Geschäftsbereiche.

Wo sind Prioritäten zu setzen, um im gegenwärtigen Umfeld zukunftsfähig zu bleiben?
Wir stehen Veränderungen grundsätzlich offen gegenüber und richten unseren Blick nicht nur auf die Risiken, sondern insbesondere auf die Chancen von Trends und Entwicklungen, die wir regelmässig evaluieren. Eine Organisationsstruktur ist auf die Zukunft vorzubereiten und Mitarbeitende sind in ihrem Fachwissen zu stärken. Was die geopolitische Neuordnung anbelangt sind wir überzeugt, dass sie die Wichtigkeit des Vermögenserhalts weiter verdeutlicht. In politisch und wirtschaftlich instabilen Zeiten steigt der Wunsch nach Schutz und Sicherheit für Vermögen und nach einem Umfeld, in dem Eigentumsrechte respektiert werden.

Industrie- und Finanzkontor kennzeichnet seine Ausrichtung mit dem Claim «Wealth Preservation Experts», Nachhaltigkeit ist das Schlagwort der Stunde. Wie greift beides ineinander?
Wir fokussieren uns auf den langfristigen und auf Generationen ausgerichteten Vermögenserhalt im Sinne eines Gründers. Mit unserem Claim «Wealth Preservation Experts» bringen wir das auf den Punkt. Mit dem Aufbau, der Implementierung und Verwaltung von Vermögensstrukturen über Rechtsträger wie Stiftungen, Trusts oder andere Gesellschaftsformen schaffen wir die Grundlage, um mit Vermögen langfristig positive gesellschaftliche, ökologische und wirtschaftliche Effekte erzielen zu können. Aus der Governance-Perspektive bauen wir treuhänderische Vermögensstrukturen so auf, dass sie den aktuellen Bedingungen gerecht werden und flexibel genug sind, um sich an zukünftige Veränderungen anpassen zu können. Diese Flexibilität ist eine Grundvoraussetzung, damit eine Vermögensstruktur überhaupt generationenübergreifend erhalten und weitergeführt werden kann.

In der Finanzbranche bespielen vor allem Banken das Thema Nachhaltigkeit stark. Die Treuhandbranche zeigt sich hier zurückhaltend. Ist das Thema noch nicht spruchreif?
Die Bankenbranche ist wohl am direktesten betroffen von der aktuellen Definition nachhaltiger Geldanlagen. Entsprechend thematisiert sie das. Im Bereich Stiftungen und Trusts stellt der Nachhaltigkeitsgedanke jedoch seit jeher das Handlungsprinzip. Mit der Strukturierung über Rechtsträger wird der Grundstein für eine langfristige Ausrichtung von Vermögen gelegt. Vermögensstrukturen bedingen eine nachhaltige Vermögensbetreuung, eine langfristig tragfähige Vermögensveranlagung und einen zweckkonformen Vermögenseinsatz im Sinne der Stiftungs- oder Trustsatzungen, die meist eine Zeitperspektive über mehrere Generationen beinhalten.

Gestatten sie mir zum Schluss die Frage, wie ihre Vision von der Zukunft aussieht?
Die «Wealth Preservation» ist unser zentraler Leitwert, der sich nicht verändern wird. Entsprechend muss die Verwaltung von Vermögensstrukturen immer langfristig ausgerichtet sein und einer Gesamtstrategie folgen. Wir als Experten müssen im Sinne unserer Kunden die Zukunft antizipieren, stets ein paar Schritte weiterdenken und vorausgehen. Damit tragen wir dazu bei, dass unsere Kunden die Zukunft ihrer Familien, Vermögen und Werte dauerhaft sichern können. Entsprechend zählen zu unseren primären Zielen, die Möglichkeiten der Vermögensstrukturierung und des Vermögenserhalts vorausschauend auszubauen und unsere Produkte und Dienstleistungen weiterzuentwickeln.

Gisela Bergmann, Prinzessin von und zu Liechtenstein . Chief Executive Officer

Interview geführt von Susanna Gopp

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