Es zeichnet sich die Herausbildung zweier gänzlich konträrer Blocks ab - USA/Europa und China/Russland. Das verheisst nichts Gutes für die Weltwirtschaft. In seinem in der Schweizer Wirtschaftszeitung Finanz und Wirtschaft (www.fuw.ch) erschienen Kommentar beleuchtet S.D. Prinz Michael von und zu Liechtenstein diese Entwicklung kritisch und verdeutlicht, dass vielmehr eine freie Marktwirtschaft und eine liberale Ordnungspolitik notwendig wären.
Nach der Implosion der Sowjetunion herrschte eine klare US-Hegemonie, über die letzten Jahre entwickelte sich die Welt aber in eine multipolare Situation. Grosse Fortschritte im Freihandel wurden erreicht, die Produktionsauslagerung aus Industriestaaten verhalf Schwellenländern zu Wachstum. Trotz Problemen im Freihandel, besonders mit grösseren Staaten und Wirtschaftsblöcken, die die WTO auszuräumen versuchte, wurden Erfolge erzielt. Doch Chinas rasante Wirtschaftsentwicklung, die unter Deng Xiaopings Führung entstand, führte dazu, dass China nicht mehr bereit war, Amerikas Hegemonie anzuerkennen und hinzunehmen. Andere Schwellenländer zogen mit. Nichtsdestotrotz ist der Dollar noch immer die unangefochtene Leitwährung der Welt, woran auch der Euro nichts zu ändern vermochte.
Dennoch gab es Verwerfungen im Freihandel. China hielt sich nicht an Regeln, wie etwa handelsverzerrende Subventionen zu unterlassen, von Investitionsbeschränkungen abzusehen oder geistiges Eigentum anzuerkennen. Die USA bewiesen gewissen Protektionismus unter dem Vorwand, Arbeitsplätze zu sichern, die EU wiederum im regulatorischen Bereich unter dem Vorwand, den Konsumentenschutz zu stärken. Die Welt funktionierte zwar, war aber nicht perfekt. Die Lage spitzte sich zu, und es begann ein Handelskonflikt zwischen den USA und China, wobei festzuhalten ist, dass die USA die chinesischen Praktiken zu Recht sanktionierten. Der Umstand, dass die USA schon des Längeren den Dollar als Waffe bei Wirtschaftssanktionen einsetzten, besonders gegen den Iran und Russland, war nicht förderlich. Dies stärkte Chinas und Russlands Bestreben, sich vom Dollar zu emanzipieren.
Wirtschaftssanktionen als Waffe
Auch die politische Lage spitzte sich zu. Unter Präsident Xi Jinping verabschiedete sich China von Deng Xiaopings Strategie, wurde in der Aussenpolitik aggressiver, im Inneren wurde der Marxismus dominanter. Die herrschende «Weltordnung» wurde herausgefordert durch aggressives Verhalten im westlichen Pazifik, vor allem im Südchinesischen Meer und gegenüber Taiwan. Die politische Agenda der Neuen Seidenstrasse (Belt-and-Road-Initiative) sowie schwere Menschenrechtsverletzungen im Inland verschärften das Ganze.
Der Westen, hauptsächlich die USA und die EU, setzte Wirtschaftssanktionen ein als Waffe in hybriden Kriegen. Sanktionen gegen den Iran gibt es schon seit Langem, auch die Antwort des Westens auf die Krimannexion durch Russland im Jahr 2014 sind Wirtschaftssanktionen; obschon sie nicht griffen, waren sie für Russland wie auch für China ein Alarmzeichen, ihre Autonomie zu fördern. Chinas Versuch, gewisse internationale Transaktionen nicht mehr über den Dollar abzuwickeln, galt als Provokation gegenüber den USA. Nach der Ukraineinvasion Anfang des Jahres brachen Europa und die USA de facto den Handel und die Investitionstätigkeiten mit Russland ab, mit ein paar Ausnahmen wegen der europäischen Abhängigkeit vom russischen Gas. Russisches Vermögen im Westen wurde eingefroren, und Sanktionslisten wurden erstellt. Das Ganze war bislang erfolglos und drängt Russland viel mehr in ein Näheverhältnis zu China. In weiterer Konsequenz sind Getreide und Speiseöl aus Russland und der Ukraine am Weltmarkt nicht mehr verfügbar, was zu Schwierigkeiten in Afrika und Nahost führen wird. Hier zeigt sich bereits das Resultat einer Fragmentierung in der Welt.
Es ist auch davon auszugehen, dass es künftig Handelseinschränkungen mit China geben wird. Dies würde zu einer echten Fragmentierung führen und sich stark auf die Weltwirtschaft und das Finanzsystem auswirken. Es wird bereits von einer Aufsplitterung von Demokratien und Autokratien gesprochen. Diese Einteilung, in der sich die USA und Europa als «liberale Wertedemokratien» sehen, zeigt eine gewisse Überheblichkeit. Es wäre falsch, alle autoritären Systeme mit Russland und China gleichzusetzen. Viele wie zum Beispiel die Türkei, die eine Demokratie ist, aber vom Westen vielfach als autoritär eingestuft wird, sind nicht dem Block mit China und Russland zuzuordnen, und es gibt andere Drittstaaten, die Mischverhältnisse aufweisen, deshalb aber ebenfalls nicht unbedingt dieser Richtung zuzuordnen sind, nur weil sie nicht bereit sind, sich die «liberalen Werte» Europas oder der USA aufzwingen zu lassen. Die Situation ist nicht nur bedenklich in Russland und China; blickt man genauer auf Europa und die USA, zeigt sich, dass auch dort nicht alles perfekt ist.
Die populistische Politik traditioneller demokratischer Parteien hat zu enormen Defiziten geführt, der Schuldenstand von Staaten ist erschreckend, die Kaufkraft der Bevölkerung schwindet. Die Antwort von Politik und Zentralbanken darauf ist nicht etwa eine Selbstreflexion, sondern die Fortsetzung der Politik, die zu eben diesen Problemen geführt hat: mehr Staat, Regulierung und Kontrolle und eine stärkere Einschränkung von persönlichen Freiheiten mit Abkehr von marktwirtschaftlichen Prinzipien. Leider täuscht sich der Grossteil der Bevölkerung, tauscht Freiheit gegen eine Illusion von Sicherheit und tritt persönliche Entscheidungsverantwortung an den Staat ab. Von einem System freier Bürger und Marktwirtschaft, das Wohlstand erzeugt und unsere Sozialsysteme finanziert hat, bewegen wir uns in Richtung eines Systems fortschreitender Planwirtschaft und einer neuen Form bürokratischen Staatskapitalismus`.
Die quantitativen Lockerungen der Zentralbanken haben staatliches Kapital in die Wirtschaft gepumpt und wurden dazu verwendet, übergrosse Staatsausgaben zu finanzieren. In den USA werden Billionen freigemacht, um Wähler zufriedenzustellen und überhöhte Staatsausgaben zu finanzieren. Das gesamte regulatorische Gefüge in Europa führt zu immer mehr staatlicher Planung. Nachhaltigkeit ist wichtig, aber die EU-Taxonomieverordnung wie auch die Mindestbesteuerung führen zu einer überdimensionierten Planwirtschaft und erinnern fast an sowjetische Fünfjahrespläne. Doch solche Pläne sind kaum erfolgreich, da die Realität anders aussieht und diese Pläne wenig Flexibilität zulassen. Der preussische Stratege Graf von Moltke sagte einst: «Jeder Kriegsplan endet mit der ersten Feindberührung.»
Neue Formen von Staatskapitalismus
Die EU-Taxonomieverordnung ist ein Plan, der nach der ersten Begegnung mit der Realität nicht die notwendige Flexibilität zeigen wird. Es braucht unternehmerische Entscheidungsfreiheit, etwas ändern zu können, und die ist nur in einer freien Marktwirtschaft möglich. Die grüne Politik Europas, die Taxonomie und die Mindestbesteuerung sind protektionistische Massnahmen, mit denen Europa versucht, seine Regeln weltweit durchzusetzen. Diese Regeln ähneln leider einer neuen Form von
Staatskapitalismus. Die Lösung läge darin, der Welt wieder mehr Freiheit zuzugestehen und sich die Vorteile ins Bewusstsein zu rufen, die sich aus einer freien globalen Marktwirtschaft und einer liberalen Ordnungspolitik ergeben. Das würde bedeuten, dass ein Staat sich auf seine wesentlichen Funktionen beschränkte.
Leider scheint der Weg ausgeschlossen. China verfällt dem Marxismus und versucht, seinen Einfluss weiter auszubauen. Ein geschwächtes Russland wird sich enger an China anlehnen. Die Planwirtschaft in der EU und den USA wird negative Konsequenzen für die westlichen Wirtschaften haben und den europäisch-amerikanischen Block schwächen, Schwellenländer werden allein gelassen und werden unter den Spannungen der beiden Blocks Russland-China und Europa-USA leiden.