Trusts & Trustees
03.07.2024

Die Bedeutung von Institutionenvertrauen

Dies ist eine Übersetzung des englischen Beitrages The meaning of trust in good public governance von S.D. Prinz Michael von und zu Liechtenstein, der im Juli 2024 im Branchenmagazin Trusts & Trustees veröffentlicht wurde. Trusts & Trustees wird von Oxford Academic herausgegeben.

‘Perhaps the most important lesson is that trust is not only an indicator of success; it is, more significantly, one of the ingredients that make success — for a business or for a government — possible.’ Dieses Zitat entstammt einer Publikation der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und trifft zu auf die Ergebnisse einer Studie zur Bedeutung von Institutionenvertrauen, die in Liechtenstein durchgeführt wurde.

Vertrauen ist ein elementares Grundbedürfnis und bildet eine wesentliche Grundlage für erfolgreiche zwischenmenschliche Interaktion. Gegenseitiges Vertrauen schafft ein Gefühl von Sicherheit, stärkt die gegenseitige Verbundenheit, fördert eine offene Kommunikation, erhöht die Kooperationsbereitschaft und steigert den Innovationsgrad. Vertrauen ermöglicht grundsätzlich ein Umfeld, in dem sich jeder auf das Wesentliche konzentrieren kann, ohne Energie für Nebenschauplätze zu vergeuden. Dadurch verringert sich die Notwendigkeit einer stetigen, zeit- und kostenintensiven Risiko-Nutzen-Abwägung. Im Endeffekt führt Vertrauen auch dazu, dass Handlungen delegiert werden im Vertrauen darauf, dass das Gegenüber im besten Interesse agiert.

Jedoch wird Vertrauen immer wieder auf die Probe gestellt und muss deshalb auch immer wieder neu bewiesen werden. Sie kennen dies wahrscheinlich aus eigener Erfahrung, beispielsweise wenn sich ihr Geschäftspartner oder ein guter Freund plötzlich anders verhält, als sie es sich gewohnt sind, und eine Handlung unternimmt, die sie negativ überrascht. Dann weicht ihr bisheriges Vertrauen unweigerlich einem Misstrauen, das solange andauert oder sich mitunter verstärkt, bis ihr Geschäftspartner oder guter Freund durch eine Vielzahl von Handlungen ihr Vertrauen wiedergewinnt.

Im wirtschaftlichen Wettbewerb ist Vertrauen die wichtigste Währung, um langfristig bestehen zu können – sei dies in der allgemeinen Zusammenarbeit aber auch im Wettbewerb von Privatpersonen beispielsweise am Arbeitsmarkt, im Wettbewerb von Unternehmen, im Wettbewerb von Branchen und im Wettbewerb der Standorte. Nicht umsonst stellt das Management von Reputation gerade bei der Standortpromotion einen zentralen Wettbewerbsfaktor dar. Reputation fördert Vertrauen, Erfolgt baut auf Vertrauen und Vertrauen zieht Erfolg nach sich.

Im Wettbewerb der Standorte spielt das Vertrauen in politische Institutionen wie beispielsweise Regierungen, Parlamente, Gerichte, Polizei und andere Behörden, Branchenverbände etc. und in deren Vertreter eine gewichtige Rolle. Denn Institutionsvertrauen ist elementar für ein funktionierendes Gemein- und Wirtschaftswesen und die daraus resultierende Stabilität ist wiederum wichtig für die Standortattraktivität.

Die liechtensteinische Stiftung für Staats- und Ordnungspolitik (SOUS) hat zum Thema Institutionenvertrauen im Jahr 2019 – aus Anlass des 300-jährigen Bestehens des Fürstentums Liechtenstein – eine Studie mit dem Titel Erfolgsfaktor Institutionenvertrauen durchgeführt. Dabei untersuchte die Studie die Bedeutung von Institutionenvertrauen als Element für den Erfolg eines Landes und kam dabei unter anderem zu folgenden Schlussfolgerungen:

  • Je bürgernäher sich Politik und staatliche Institutionen verhalten und je stärker das Verständnis für demokratische Prozesse in der Gesellschaft ist, desto positiver fällt die Beurteilung von politischen Akteuren und staatlichen Institutionen aus;
  • Beidseitiges Institutionsvertrauen, beispielswiese zwischen Bürgern und der Verwaltung, senkt die compliance costs, mindert den Kontrollaufwand von Behörden sowie den Bürokratieaufwand von Bürgern und Unternehmen bei der Umsetzung politischer Regulierungsziele;
  • Umgekehrt entsteht ein «circulus vitiosus», wenn Misstrauen der einen Seite zu Misstrauen der anderen Seite führt, beispielsweise wenn ein Staat seinen Bürgern mit zunehmenden Vorschriften und Dokumentationspflichten begegnet und sich das Gemeinwesen dadurch verkompliziert.

Generell zeigt sich in dieser Studie – so wie dies auch aus vergleichbaren OECD-Studien hervorgeht – dass in der demokratischen Welt jene Länder ein hohes Vertrauen in Institutionen aufweisen, die stark dezentralisiert sind und ihr Gemeinwesen auf direkt-demokratischen Einheiten bauen.

Staatlicher Voyeurismus, der als «Transparenz» geschönt wird, und der Drang zu verstärkter Kontrolle und Überwachung, der seit Jahren zunimmt, sind nichts anderes, als der Beweis von mangelndem Vertrauen von Institutionen in die Wirtschaftstreibenden und Bürger eines Staates. Regierungen argumentieren diesen Drang oft und gerne mit dem fehlbaren Verhalten Einzelner (bspw. Steuerunehrlichkeit), das nur dann gestoppt werden könne, wenn ganze Wirtschaftszweige oder die Gesellschaft an sich gemassregelt und in Systemhaft genommen werden.

Doch zunehmende Überwachung, Kontrolle und Transparenz führen zu einer immer stärker werdenden Komplexität bspw. bei Gesetzen und Verordnungen, zu immer grösseren Rechenschaftspflichten für Bürger (Umkehrung des Rechenschaftsprinzips) und stetig ansteigenden Compliance- und Regulierungskosten für Wirtschaftstreibende – mit dem Effekt, dass in der Folge das Vertrauen von Bürgern und Wirtschaftstreibenden in staatliche Institutionen und deren Vertretern vom Misstrauen abgelöst wird. Und fehlbares Verhalten Einzelner dennoch nicht aufgehalten werden kann. Der Dschungel an Vorschriften und Kontrollen jedoch fördert Willkür in der Auslegung von Gesetzen und Vorschriften. Denn je komplexer und undurchschaubarer diese sind, desto mehr Interpretationsspielraum eröffnen sie.

Eine positive wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung erfordert deshalb die grösstmögliche Beschränkung des Staates auf seine ureigentümlichen Aufgaben: Sicherstellung der inneren und äusseren Sicherheit, Gewährleistung von Grundrechten sowie Rechtsgleichheit und Rechtssicherheit. Dabei bedeutet Rechtssicherheit auch, dass Gesetze und Verordnungen sinngemäss und nicht technokratisch oder gar willkürlich ausgelegt werden. Sie können nicht alle Eventualitäten abdecken und der Versuch, Gesetze oder Verordnungen im Zweifelsfall zugunsten eines Staates auszulegen, ist rechtsstaatlich bedenklich, begünstigt die Rechtsunsicherheit und strapaziert das Bürgervertrauen. Dies zeigt sich insbesondere im Steuerrecht etlicher Staaten. Für Einzelpersonen sowie Unternehmen wird es immer schwieriger, korrekte Steuererklärungen abzugeben und vieles wird zur Auslegungssache einer Steuerverwaltung. Diese Auslegungsmöglichkeit kann staatliche Willkür fördern.

Ein weiterer Trend, der sich seit vielen Jahren beobachten lässt, ist der Umstand, dass internationale und supranationale Organisationen mit ihrem Bestreben, die Weltwirtschaft und Weltgesellschaft umzugestalten, immer stärker in die Souveränität von Staaten eingreifen. Jedoch haben sind sie weder rechenschaftspflichtig noch aus der Bevölkerung heraus entstanden und von ihr legitimiert worden. Und dennoch werden auf solchen Ebenen Bestimmungen in einem rechtsfreien Raum getroffen und als global bindend verabschiedet. In der Folge sind Regierungen und Parlamente dazu aufgefordert, diese Bestimmungen zu übernehmen – ohne Rücksicht auf nationale Besonderheiten oder die Praktikabilität.

Ein Parlament aber sollte niemals daran gemessen werden, wie viele Gesetze es in einer Legislaturperiode verabschiedet hat oder wie stark es den internationalen Vorgaben entspricht, sondern daran, wie es mit dem Gesetzgebungsprozess umgeht und die Effizienz und Bürgernähe von Verwaltungstätigkeiten fördert. Dies zeichnet eine gesunde wirtschaftspolitische Steuerung aus.

Das Stiftungs- und Trustwesen dient dem langfristigen Erhalt von familiärem und unternehmerischem Vermögen und Werten. Bei der Strukturierung von Vermögen über Stiftungen und Trusts werden in vielen Fällen mehr als eine Generation von Begünstigten berücksichtigt. Diese langfristige Ausrichtung benötigt naturgemäss ein stabiles und rechtsstaatliches Umfeld, das Rechts- und Planungssicherheit gibt und Eigentumsrechte gewährleistet.

Der langfristige Vermögenserhalt ist im Interesse der Allgemeinheit zu verstehen. Die Geschichte zeigt, dass sich überwiegend dort gesamtgesellschaftlicher Wohlstand entwickeln konnte, wo die ökonomische Freiheit des Einzelnen gefördert und damit zusammenhängend privates Kapital zum Einsatz gelangen konnte. Dabei spielten und spielen langfristig ausgerichtete Familienunternehmen eine wichtige Rolle. Sie schaffen Arbeitsplätze, stillen Konsumentenbedürfnisse stillen, entwickeln bestehende Infrastruktur weiter, entrichten Steuern und Abgaben oder unterstützen gemeinschaftliche Projekte, von der in der Folge die Allgemeinheit profitiert. Dies bedingt aber auch ein Umfeld von Vertrauen und Stabilität, ein Umfeld in dem Vermögen respektiert wird und die langfristigen Ausgestaltungsmöglichkeiten mit Hilfe von Rechtsträgern nicht durch überschiessende Regulierung vermindert beziehungsweise blockiert werden.

Die Akteure des Stiftungs- und Trustwesens haben diesbezüglich eine wichtige Funktion inne. Sie können das Verständnis für die Bedeutung des Stiftungs- und Trustwesens und von langfristig ausgerichteten Vermögensstrukturen fördern, indem sie aktive Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit betreiben. Branchenverbände wie die Society of Trust and Estate Practitioners (STEP) haben hier eine wichtige Funktion: sie können die langfristige Bedeutung von Vermögensverhalt aufzeigen und argumentieren, aber insbesondere auch politischen Entscheidungsträgern, Regierungsbehörden und supranationalen Organisationen die negativen Auswirkungen aufzeigen, die sich aus Entscheidungen zur Harmonisierung und Standardisierung von Vorschriften ergeben und gerade die Treuhandbranche wesentlich betreffen.

Übertriebene Regulierungen mindern die Effizienz und Offenlegungspflichten sollten auf jene beschränkt sein, die effektiv der Geldwäschereibekämpfung dienen – und nicht nur eine zusätzliche Bürokratisierung oder den öffentlichen Voyeurismus fördern. Deshalb kann es unter Umständen auch wesentlich sein, dass Branchenverbände rechtliche Schritte einleiten, sofern Behörden rechtswidrige oder verfassungswidrige Gesetze erlassen.

Filippo Noseda, der ebenfalls einen Beitrag zur Juli-Ausgabe von Trusts & Trustees beigesteuert hat, intervenierte kürzlich vor dem Europarat und den EU-Datenschutzbehörden im Zusammenhang mit der Einführung des OECD Common Reporting Standards (CRS) und dem europäischen Register für wirtschaftliches Eigentum. Außerdem bringt Herr Noseda diese wichtigen Themen an die Öffentlichkeit. Ich stimme Herrn Noseda zu, wenn er sagt, dass es an der Zeit ist, eine ausgewogene Diskussion über Transparenz, Privatsphäre und Datenschutz zu führen. Darüber hinaus ist es auch an der Zeit, über die Notwendigkeit von Vermögensstrukturen zu diskutieren, und warum es wesentlich ist, privates und unternehmerisches Vermögen langfristig zu erhalten – nicht nur zum Wohle künftiger Generationen, sondern auch zum Wohle der Allgemeinheit. Wenn die positiven und negativen Seiten dieser Themen offen diskutiert werden, können die Akzeptanz in Gesellschaft und Politik gestärkt und falsche Denkmuster aufgelöst werden.

Ein eingangs erwähnte SOUS Studie zeigt auf, dass ein stabiles und berechenbares politisches Umfeld mit einem hohen Vertrauen der Bürger in staatliche Institutionen eine wichtige Grundvoraussetzung für den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfolg eines Landes bildet. Ein hohes Institutionenvertrauen ist nicht nur ein Indikator wirtschaftlichen Erfolges und politischer Stabilität, sondern auch die entscheidende Vorbedingung dafür. Dies sieht man an den Beispielen Schweiz und Liechtenstein.

Eine wesentliche Herausforderung liegt darin, Vermögensstrukturen trotz der Vielzahl und der teilweisen Widersprüchlichkeit von Vorschriften und trotz wirtschaftlicher Risiken und politischen Unwägbarkeiten global ihrem langfristigen Zweck entsprechend zu verwalten und zu bewahren. Kunden müssen trotz aller Veränderungen im wirtschaftlichen und politischen Bereich darauf vertrauen können, dass eine Vermögensstruktur ihrer langfristigen Ausrichtung tatsächlich dauerhaft entsprechen kann.

Deshalb liegt eine wichtige Aufgabe von Branchenverbänden wie STEP darin, Lobbying zu betreiben, damit das Verständnis für die Notwendigkeit von Vermögensstrukturen gestärkt werden kann. Aber auch, um Vernehmlassungen auf Planungs- und Rechtssicherheit zu überprüfen, die Gesetzeseffizienz zu hinterfragen und wo notwendig und angebracht mitunter auch Verfassungsklagen anzustrengen. Wie an anderer Stelle bereits genannt, fördert Reputation Vertrauen, Erfolgt baut auf Vertrauen und Vertrauen zieht Erfolg nach sich. Branchenverbände können hier mit einer legitimen Interessensvertretung Einfluss nehmen.

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