
Im April 2009 traten Vertreter der führenden Industrie- und Schwellenländer im Zuge eines G20-Gipfels in London erstmals geschlossen an die Öffentlichkeit. Im Nachgang zur globalen Finanzkrise verkündeten sie damals, das internationale Finanzsystem stärken und die Zusammenarbeit im Steuerbereich intensivieren zu wollen. Unter dem Slogan «Strengthening financial supervision and regulation» brachten sie eine Reihe von steuerpolitischen Massnahmen ins Rollen, die bis heute andauern und laufend ausgeweitet werden. Was hat sich seither getan? Und wie wirken sich die Entwicklungen auf Vermögensstrukturen aus?
Base Erosion and Profit Shifting 1.0
Anfang 2013 brachte der OECD-Ausschuss für Steuerfragen «Committee on Fiscal Affairs» (CFA) im Auftrag der G20 die «Base Erosion and Profit Shifting»-Initiative (BEPS) auf den Weg. Damit sollten die Steuerplanungsmöglichkeiten international tätiger Konzerne und der steuerliche Standortwettbewerb schrittweise eingedämmt werden. Auf lange Sicht sollten die Steuerrechtsordnungen von Staaten immer mehr angeglichen werden.
Dazu verabschiedeten die G20-/OECD-Mitgliedsstaaten im Herbst 2013 einen 15-Punkte-Aktionsplan (vgl. www.oecd-ilibrary.org), der die Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung international tätiger Unternehmen fokussiert und auf eine gemeinsame Verständigung zu internationalen Besteuerungsstandards abzielt. Im Oktober 2015 beschlossen die G20-/OECD-Mitgliedsstaaten sowie weitere Staaten daraus abgeleitete Massnahmenempfehlungen, die auszugsweise das Folgende beinhalten:
- Vermeidung doppelter Nichtbesteuerung
- Begrenzung der Abzugsfähigkeit von Zinszahlungen
- Verschärfung des steuerlichen Informationsaustauschs
- Straffung der steuerlichen Begünstigung von Patent-Boxen (IP-Box)
- Verpflichtung zur standardisierten Dokumentation von Verrechnungspreisen
- Austausch von Informationen zur weltweiten Verteilung von Umsätzen, entrichteter Steuern etc. (Country-by-Country-Reporting)
Um die Umsetzung der Massnahmen überwachen und weiterentwickeln zu können, wurde im Jahr 2016 auf OECD-Ebene das «Inclusive Framework on BEPS» geschaffen – ein neues Gremium, dem zwischenzeitlich mehr als 140 Staaten und Gebiete angehören. Es berichtet an die G20/G7 und spricht steuerpolitische Empfehlungen aus. Eine Mitgliedschaft ist wesentlich, um ein Mitspracherecht zu haben. Auch Liechtenstein ist Mitglied.
Umsetzung auf europäischer Ebene
In der Folge wurden die BEPS-Aktionspunkte auf europäisches Recht umgelegt. Zum einen erliess der Rat der Europäischen Union (EU) 2016 die erste Anti-Steuervermeidungsrichtlinie (Anti-Tax Avoidance Directive, ATAD), zum anderen 2018 die EU-Richtlinie DAC6, die eine Weiterentwicklung der im 2011 verabschiedeten EU-Amtshilferichtlinie darstellt.
DAC6
DAC6 steht für die Zusammenarbeit von europäischen Verwaltungsbehörden (Directive on Administrative Cooperation). Sie verpflichtet Intermediäre und Steuerpflichtige, Informationen zur grenzüberschreitenden Steuergestaltung an Finanzbehörden zu melden und den automatischen Informationsaustausch zwischen nationalen Steuerbehörden zu fördern.
ATAD
Die ATAD-Richtlinien zielen darauf ab, Steuervermeidung und aggressive Steuerplanung von multinationalen Unternehmen in der EU über verschiedene Hebel zu unterbinden. Beispielsweise werden Zinsabzüge begrenzt, stille Reserven oder Vermögensübertragungen im Rahmen eines Wegzugs besteuert oder hybride Gestaltungsmöglichkeiten unterbunden, die zu einer doppelten Nichtbesteuerung führen würden. Auch eine Gewinnverlagerung in Niedrigsteuerländer (Controlled Foreign Corporation Rules, CFC) oder eine Nichtberücksichtigung unangemessener Steuergestaltungen (General Anti-Abuse Rules, GAAR) fallen hierunter.
Die aktuelle Variante ATAD3 (auch EU-Unshell-Initiative genannt) bezieht sich auf das Substanzerfordernis von Unternehmen und fokussiert jene Unternehmen, die den statutarischen Sitz in einem Land haben, die effektive Geschäftstätigkeit und Verwaltung jedoch in einem anderen Land ausüben. Diesen Unternehmen wird eine erhöhte Informations- und Meldepflicht auferlegt, wobei insbesondere detaillierte Angaben zur wirtschaftlichen Tätigkeit und Organisationsstruktur gefordert werden.
Base Erosion and Profit Shifting 2.0
Nachdem die Digitalisierung der Wirtschaft immer weiter voranschreitet, haben sich die G20-/OECD-Mitgliedsstaaten 2021 darauf verständigt, die BEPS-Initiative weiterzuentwickeln und inskünftig Gewinne dort zu besteuern, wo wirtschaftliche Tätigkeit und Wertschöpfung effektiv stattfinden. Dementsprechend stellte das «Inclusive Framework on BEPS» im Herbst 2021 ein Zwei-Säulen-Modell vor, bestehend aus «Pillar I» und «Pillar II», und empfahl die Schaffung eines Gesetzes über die Mindestbesteuerung grosser Unternehmensgruppen (GloBE-Gesetz).
Säule 1 (Pillar I)
Säule 1 bezweckt, die internationalen Besteuerungsrechte multinationaler Unternehmen neu zu definieren. Sie bezieht sich vorerst auf grosse Unternehmen, die einen weltweiten Umsatz von mindestens 20 Mrd. Euro erwirtschaften und eine Umsatzrentabilität von mindestens 10 Prozent aufweisen. Besteuerungsrechte zwischen Ansässigkeitsstaat und Marktstaat sollen fairer geregelt und die Bestimmung von Verrechnungspreisen vereinheitlicht werden. Wann Säule 1 konkret umgesetzt wird, ist derzeit noch offen.
Säule 2 (Pillar II)
Säule 2 beinhaltet einen global gültigen Mindeststeuersatz auf Gewinne, der aktuell bei 15 Prozent angesetzt ist. Dieser Mindeststeuersatz ist für jene Unternehmen verpflichtend, die mehr als 750 Mio. Euro Umsatz erwirtschaften. Um Säule 2 umsetzen zu können, beschloss das «Inclusive Framework on BEPS» Ende 2021 entsprechende Mustervorschriften für das GloBE-Gesetz.
GloBE-Gesetz
In Liechtenstein ist das GloBE-Gesetz am 01. Januar 2024 in Kraft getreten. Abhängig von der anzuwendenden Besteuerung wird es erstmals auf das Steuerjahr 2024 oder 2025 Anwendung finden. Betroffen sind grosse inländische sowie multinationale Unternehmensgruppen und auch Rechtsträger (juristische Personen, Trusts und Personengesellschaften), welche wiederum Teil einer Unternehmensgruppe sind. Was heisst das konkret?
Weist nun die oberste Muttergesellschaft im konsolidierten Konzernabschluss in mindestens zwei der jeweils vier vorangegangenen Geschäftsjahre einen konsolidierten Jahresumsatz von mindestens 750 Mio. Euro aus, wird eine Ergänzungssteuer (Top-up-Tax) erhoben, um das Mindeststeuerniveau von 15 Prozent zu erreichen. Die Ergänzungssteuer gibt es in drei Varianten. Relevant ist, welche Steuerbehörde zur Erhebung der Ergänzungssteuer berechtigt ist:
- Die liechtensteinische Ergänzungssteuer (Qualified Domestic Minimum Top-up Tax, QDMTT) wird auf sämtliche inländische Geschäftseinheiten von multinationalen Unternehmensgruppen angewendet.
- Die IIR-Ergänzungssteuer (Income Inclusion Rule, IIR) wird auf Ebene einer inländischen Muttergesellschaft für ausländische Tochtergesellschaften erhoben, sofern diese nicht die Mindestbesteuerung erfüllen.
- Die UTPR-Ergänzungssteuer (Undertaxed Payments Rule, UTPR) wird dann bei inländischen Geschäftseinheiten erhoben, wenn in der Jurisdiktion der obersten Muttergesellschaft keine IIR-Ergänzungssteuer zur Anwendung gelangt.
Wie sind Vermögensstrukturen betroffen?
Säule 2 und das GloBE-Gesetz führen dazu, dass alle Rechtsträger alljährlich darauf überprüft werden müssen, inwiefern sie von den Bestimmungen betroffen sind. Es gilt jeweils festzustellen, ob ein konsolidierter Jahresumsatz den Schwellenwert von 750 Mio. Euro überschreitet (es ist anzunehmen, dass dieser Schwellenwert in den kommenden Jahren herabgesetzt werden wird). Ist dies der Fall, muss für betroffene Rechtsträger zusätzlich zur regulären Steuererklärung eine GloBE-Steuererklärung erstellt werden. Wird die Mindeststeuer von 15 Prozent dann nicht erreicht, ist die Ergänzungssteuer zu validieren.
Dies kann auch Vermögensstrukturen betreffen, die nach liechtensteinischem Steuerrecht als Privatvermögensstruktur (PVS) qualifizieren. Zudem wird es massgebend sein, die Schnittstellen der GloBE-Bestimmungen mit den weiteren Bestimmungen aus beispielsweise den ATAD- oder DAC6-Richtlinien abzugleichen. Der gesamte Überprüfungsmechanismus wirkt sich auf den Zeit- und Verwaltungsaufwand aus und erhöht die Dokumentationspflicht.
Fazit und Ausblick
Mit der BEPS-Initiative wurde eine neue Epoche der Steuerregulierung und Steuertransparenz eingeläutet. Aktuelle Diskussionen verdeutlichen, dass an diesem Weg festgehalten wird. Das Fernziel der G20-/OECD-Mitgliedsstaaten ist ein zentralisiertes Steuersystem, das sich auf einem hohen Steuerniveau nivellieren wird. Der an der Paris School of Economics angesiedelte Think Tank «EU Tax Observatory» liess bereits vor Einführung des Mindeststeuersatzes nach Säule 2 verlauten, dass 15 Prozent unzureichend sind und sich eine Erhöhung des Mindeststeuersatzes positiv auf Steuereinnahmen auswirken würde.
Zudem verdeutlicht die zunehmende Befürwortung zur Einführung einer globalen Vermögenssteuer, dass in Zukunft auch dieser Steuermechanismus die internationale Steuerpolitik bestimmen wird. Ob diesem Steuerdruck wird jedoch vergessen, dass sich staatliche Einsparungen besser eignen würden, um Defizite zu verringern, als wie Steuererhöhungen.
Doch Steuertransparenz und Steuerharmonisierung stellen eine Seite dar, Vermögensschutz und Vermögenserhalt eine andere. Steuerthemen spielen aus unterschiedlichen Gründen in die Vermögensstrukturierung hinein, sie bilden aber nicht den Schwerpunkt. Die in der Öffentlichkeit vertretene Meinung, dass Vermögensstrukturen aufgesetzt werden, damit jemand Steuern sparen kann, ist schlichtweg falsch. Im Mittelpunkt einer jeden Vermögensstrukturierung steht die Frage, welchen Zweck ein Vermögen langfristig erfüllen soll und wie die langfristige Zweckerfüllung gewährleistet werden kann. Entsprechend wichtig ist ein Standort, der dieser Langfristigkeit gerecht wird, indem er Rechtssicherheit, internationale Konformität und langfristige Stabilität gewährleistet.