Finanz und Wirtschaft
19.06.2021

Nachhaltigkeit umfassend verstehen

Der Begriff Nachhaltigkeit bestimmt derzeit die öffentliche Diskussion wesentlich mit. Die 17 UN-Nachhaltigkeitsziele sind dabei zum zentralen Dreh- und Angelpunkt geworden. Politik und Unternehmen springen verstärkt darauf auf und betonen ihr Bekenntnis zu den UN-Nachhaltigkeitszielen, in vielen Fällen jedoch ohne konkret zu wissen, wie sie effektiv dorthin kommen. In seinem in der Schweizer Wirtschaftszeitung Finanz und Wirtschaft (www.fuw.ch) erschienen Kommentar, beleuchtet S.D. Prinz Michael von und zu Liechtenstein diese Entwicklung kritisch und verdeutlicht, dass eine effektive nachhaltige Entwicklung vor allem dann erreicht wird, wenn sie aus dem alltäglichen Handeln und dem Verständnis des Individuums entsteht.

Der Begriff Nachhaltigkeit hat in den vergangenen Jahren massiv an Zugkraft gewonnen. Mittlerweile bestimmt er die öffentliche Diskussion wesentlich mit, und die siebzehn Ziele der UNO-Agenda 2030 sind zum Dreh- und Angelpunkt für nachhaltiges Handeln geworden. Doch eigentlich ist der Begriff Nachhaltigkeit wesentlich älter und wurde bspw. im18. Jahrhundert in der Forstwirtschaft geprägt: Nachhaltigkeit wurde zum Handlungsprinzip für die Waldbewirtschaftung erhoben, indem nur so viele Bäume gefällt werden durften, wie auch nachwachsen konnten. Damit sollte die natürliche Regenerationsfähigkeit des Waldes gesichert werden, damit diese Ressource auch für zukünftige Generationen erhalten bleibt.

Nun springen Politik und Unternehmen verstärkt auf den Zug der Nachhaltigkeit auf und betonen ihr Bekenntnis zu den Uno-Nachhaltigkeitszielen, ohne in vielen Fällen jedoch konkret zu wissen, wie sie effektiv dorthin kommen. Sie preisen wohlklingende Begriffe an wie «klimaneutral» oder «CO2-neutral», bleiben aber eine genaue Inhaltsdefinition schuldig. Es bleibt unklar, anhand welcher Faktoren oder Massnahmen Produkte oder Dienstleistungen als nachhaltig eingestuft werden und welche Wirkung erzielt werden soll.

Damit kommen wir zum Problem: Wenn der Begriff Nachhaltigkeit in der breiten Öffentlichkeit als Worthülse ausgelegt wird, wird dieses wichtige Thema rasch wieder an Relevanz verlieren. In der Konsequenz wird der Weg der staatlichen Regulierung mit einer verallgemeinernden Verpflichtung beschritten werden, um das UNO-Nachhaltigkeitsbestreben durchsetzen zu können. Eine wirklich nachhaltige Entwicklung aber wird dann erzielt, wenn sie aus dem alltäglichen Handeln und Verständnis des Individuums heraus entstehen kann und nicht aufgrund internationaler Vorgaben oder staatlicher Gesetze und Verordnungen entstehen muss.

Überregulierung ist kontraproduktiv

ESG-Kriterien (Environment, Social, Governance), CO2-Reporting oder die siebzehn Uno-Nachhaltigkeitsziele sind gute Denkansätze und bieten hilfreiche Orientierung. Aber es ist zu vermeiden, dass sie früher oder später zu übertriebenen, nicht durchdachten und allgemeinverpflichtenden Standards und staatlichen Vorgaben in verschiedenen Bereichen des Umweltschutzes oder des Steuerbereichs avancieren, aus mehreren Gründen:

Die Regionen dieser Welt haben unterschiedliche Ausgangslagen mit wesentlichen geografischen, klimatischen, kulturellen, gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Abweichungen. Diese gilt es zu berücksichtigen, wenn wirtschaftliche, gesellschaftliche und ökologische Nachhaltigkeit effektiv greifen soll. Uniforme Standards können solchen regionalen Unterschieden nicht gerecht werden. Eine übermässige Regulierung gefährdet Wertschöpfungsketten, den Kundenfokus und die Wettbewerbsfähigkeit und damit die Basis, auf der Nachhaltigkeit überhaupt umgesetzt werden kann. Eine staatliche Lenkung führt unweigerlich zu einer Fehlallokation von Ressourcen. Dies gilt es im Hinblick auf eine gewünschte nachhaltige Entwicklung zu vermeiden. Überregulierung kann auch gesunde Innovation behindern bzw. zu schädlicher Konzentration führen, wie etwa Überkapazitäten in staatlich erwünschten Sektoren.

Ein Staat kann die Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Entwicklung setzen. Auch CO2-Zertifi-kate können verwendet werden. Nicht aber sollte der Staat eine nachhaltige Entwicklung verordnen. Jedoch könnte er mit gutem Beispielvorangehen, indem er seine über-dimensionierte Rolle in Wirtschaft und Gesellschaft zurückfährt, sich auf seine Kernaufgaben besinnt und die Sicherheit sowie die marktwirtschaftliche Freiheit seiner Bürger gewährleistet. Dazu gehört auch, keine verantwortungslose und langfristig nicht tragbare Schuldenwirtschaft zu betreiben. Damit einher geht auch die Abkehr von übertriebenen Ausgaben unter dem Label «Green Economy», mit denen weniger ein grünes Wachstum gefördert als künftigen Generationen eine untragbare Schuldenlast aufgebürdet wird.

Auch Emotionalisierung, wie die der Energiewende in Deutschland, ist mit Blick auf effektives Nachhaltigkeitsbestreben kritisch zu sehen. Als Reaktion auf die Atomkatastrophe in Fukushima 2011 beschloss die Bundesregierung, Atomkraftwerke schrittweise und so zügig wie möglich abzuschalten und eine grundsätzliche energiepolitische Wende zu vollziehen. Damit einher ging aber, dass Deutschland wieder verstärkt auf fossile Energien wie Kohlekraft und Erdgas setzen musste, um den Energieverbrauch zu Spitzenzeiten überhaupt stillen zu können. Die UNO-Nachhaltigkeitsziele proklamieren erschwingliche Energie für alle Menschen. Aus Angst und Populismus aber verhindert die Regierung den Einsatz von erschwinglicher und umweltschonender Kernenergie.

Nachhaltiges Finanzgebaren ist auch in Unternehmen wesentlich. In managementgesteuerten Gesellschaften wird kurzfristiger gedacht, angestellte Unternehmensleiter tragen nicht das Risiko des eigenen Vermögens. Ein Unternehmer hingegen steht in direkter Verantwortung gegenüber dem Unternehmen, den Stakeholdern und dem Umfeld, in das das Unternehmen eingebettet ist. Er denkt langfristiger. Gerade Familiengesellschaften wenden seit langem die Kombination wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und ökologischer Nachhaltigkeit an, was auch solide Finanzen umfasst. Die von der UNO unterstützten Prinzipien für nachhaltiges Investieren (PRI, Principles for Responsible Investment) sind ein guter und wichtiger Schritt zu einer nachhaltigen Finanzwirtschaft. Verantwortungsvolles Investieren muss aber Hand in Hand gehen mit nachhaltigem Handeln. Geld oder Vermögen allein leistet keinen Beitrag zur Nachhaltigkeit, sondern vielmehr die Art und Weise, wie es eingesetzt wird und welcher Nutzen sich damit erzielen lässt. Rendite für Investoren bildet dabei die eine Seite, zugleich eine positive Wirkung für Gesellschaft, Umwelt und Wirtschaft zu erzielen, die andere. Insbesondere Vermögen ist dann nachhaltig, wenn es langfristig und zweckgebunden eingesetzt und über mehrere Familiengenerationen erhalten wird.

Vertrauen in die Marktakteure

Globales Nachhaltigkeitsbestreben kann nur dann effektiv greifen, wenn es sich nahe an den realen Gegebenheiten bewegt, regionale Unterschiede berücksichtigt, vom Individuum im alltäglichen Handeln erwirkt wird und nicht in einer staatlichen Bevormundung mündet. Eine zu starke Regulierung verunmöglicht Schumpeters kreative Zerstörung und hinterlässt langfristig mehr verbrannte Erde als eine prosperierende und nachhaltig agierende Gesellschaft und Wirtschaft. Die Krux an der Nachhaltigkeit liegt darin, dass sich Nachhaltigkeit unter den Prämissen von freier Marktwirtschaft und Unternehmertum entwickeln können muss, was aber das Vertrauen in die Marktakteure voraussetzt. Auf Basis eines solchen, pragmatischen Ansatzes können die Uno-Nachhaltigkeitsziele zum Erfolg gebracht werden.

Liechtenstein ist ein gutes Vorbild in Sachen wirtschaftlicher, finanzieller, gesellschaftlicher und ökologischer Nachhaltigkeit. Als Unikum in Europa hat es aufgrund einer sehr disziplinierten Haushaltspolitik keine Staatsschulden. Auch die Unternehmen sind solide finanziert. Bei den Banken gibt es viele gute Beispiele für solides Nachhaltigkeitsdenken, sowohl für Kunden als auch bei Investitionen. Der Treuhandsektor mit dem Stiftungswesen muss in Generationen denken und ist daher per se nachhaltig ausgerichtet.

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