Wirtschaft Regional
24.11.2023

Wann wird ein Staat zum Selbstzweck?

Vor zwei Jahren verständigten sich Mitglieder der G20 und OECD auf eine globale Steuerreform, die ein neues Verständnis über die Zuteilung von Besteuerungsrechten beinhaltet und in einem ersten Schritt eine globale Mindeststeuer für grosse, international tätige Unternehmen fordert. Der Mindeststeuersatz wurde auf 15 Prozent festgelegt. Er gelangt erstmals mit Beginn des kommenden Jahres zur Anwendung.

Doch bereits werden Forderungen nach einer Erhöhung desselben laut. Eine Analyse des EU Tax Observatory hat ergeben, dass ein Mindeststeuersatz von 15 Prozent unzureichend greifen und sich eine Erhöhung um 10 Prozent zudem positiv auf Steuereinnahmen auswirken würde – sie liessen sich fast verdreifachen. Der EU Tax Observatory ist ein Thinktank, angesiedelt an der Paris School of Economics, der zu einem Grossteil von der EU finanziert wird. Sein Zweck liegt darin, die globale Besteuerung zu beobachten und zu analysieren und Ansätze abzuleiten, mit denen sich staatliche Steuereinnahmen erhöhen lassen und ein Steuerwettbewerb eindämmen lässt. Damit soll die globale Ungleichheit ausgemerzt werden.

Geleitet wird der EU Tax Observatory von Gabriel Zucman, einem französischen Ökonomen, forschend auf dem Gebiet der Ungleichheit, der sich dem politischen Linksspektrum zuordnen lässt. Er machte vor rund drei Jahren auf sich aufmerksam, als er mit den Professoren Stiglitz und Piketty die Vision eines globalen Vermögensregisters (Global Asset Registry) vorstellte. Demnach soll in absehbarer Zukunft alles Vermögen eines jeden Bürgers dieser Welt Eingang in ein zentral einsehbares Register finden mit dem Ziel, eine umfassende Transparenz über sämtliche verfügbaren Vermögenswerte zu erreichen, eine Diskussion über den gewünschten Grad von Ungleichheit zu erleichtern und eine angemessene Besteuerung zu fördern.

Berücksichtigt man diese Ausgangslage, ist die aktuelle Forderung des Thinktanks, den globalen Mindeststeuersatz weiter anzuheben, der Frage gegenüberzustellen, worin die eigentliche Funktion von Steuereinnahmen liegt? Grundsätzlich sollten Steuereinnahmen helfen, die für einen funktionierenden Staat notwendigen Ausgaben zu decken. Also jene Verpflichtungen, die es für eine funktionierende Gemeinschaft zwingend braucht, wie etwa Investitionen in die äussere Sicherheit, ein funktionierendes Rechtssystem oder das Bildungswesen. Nicht aber sollte es darum gehen, Steuereinnahmen grundsätzlich
zu maximieren, damit Bürgergelder in weiterer Folge nach Gutdünken einer Regierung umverteilt werden können. Zur Berechnung von notwendigen Steuereinnahmen dient das Staatsbudget, dessen Einhaltung ein Parlament bei der alljährlichen Rechenschaftspflicht überprüft und hinterfragt.

Eine Mindeststeuer läuft dem zuwider. Sie untergräbt die eigentliche Funktion von Steuereinnahmen und hebelt jenen Steuerwettbewerb aus, der für eine langfristig stabile Budgetdisziplin notwendig ist. Eine Harmonisierung im Steuerbereich führt über kurz oder lang dazu, dass Steuersätze auf ein höchstmögliches Niveau angehoben werden. Wo kein (Steuer-)Wettbewerb ist, besteht für Staaten kein Grund mehr, auf Leistungsfähigkeit und Standortattraktivität bedacht zu sein. Dadurch sieht sich ein Staat immer weniger als öffentlicher Dienstleister zugunsten der Bürger und entwickelt sich vielmehr zu einem Selbstzweck.

Heute wird eine Erhöhung des Mindeststeuersatzes auf 25 Prozent gefordert, morgen eine Senkung der Berechnungsgrundlage und Weiteres wird folgen. In einem Interview mit der deutschen «nd aktuell» im April 2022 sprach Zucman sich bereits dazu aus, dass eine Mindeststeuer von 15 Prozent ein vorläufiger, moderater Schritt in Richtung globale Kooperation sei. Das in den 50er-Jahren vorherrschende US-Steuersystem mit einem Einkommensspitzensteuersatz von rund 93 Prozent bezeichnete er als progressiv.

Liechtenstein muss dem gegenwärtigen Trend folgen und die Mindeststeuer anwenden. Das ganze Unterfangen ist kostspielig. In der Umsetzung besteht für die Behörden aber die Möglichkeit, mit Augenmass und Verhältnismässigkeit zu agieren, bei gleichzeitiger Einhaltung der europäischen Bestimmungen. Eine Eigenschaft, die Liechtenstein auszeichnet. Liechtenstein hat auch den grossen Vorteil, dass eine Budgetdisziplin gegeben ist.

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